Blankenese. Viel Moos, nix los? Beim dritten Kajütenschnack diskutieren Elbvorortler über regionale Kultur – mit am Tisch: Sänger Bill Ramsey

Bill Ramsey wird von Ehefrau Petra vor die Kajüte S.B. 12 am Strandweg in Blankenese gefahren. In der urigen Gaststätte kehrt Ruhe ein, als der 86-Jährige mit dem markanten Aussehen den kleinen Raum betritt. Am Nebentisch summt ein Gast den unvergessenen Song von der „Zuckerpuppe in der Bauchtanztruppe“. Andere stimmen ein. Gute Stimmung also zum Auftakt des dritten Kajütenschnacks des Abendblatts am Elbufer.

Die erlesene Laune setzt sich bei der Ankunft Til Mettes fort. Der „Stern“-Cartoonist ist mit seinem Motorrad aus Iserbrook gekommen. Die beiden Kreativen kennen sich seit einer Ausstellung in der „Fabrik der Künste“ vor vier Jahren. „Wir schätzen die gleiche skurrile Linie“, sagt Ramsey. Als Gentlemen älterer Schule heißen sie die Damen dieses Gesprächskreises herzlich willkommen: Karin Klose, Chefin einer nach ihr benannten Musikschule in Blankenese, und die Schauspielerin Freya Trampert. Natürlich kennen auch sie Bill Ramseys legendäre Schlager. „Schubidu“, singen sie unisono. Fünfter im Bunde ist der Autor und Verleger Klaas Jarchow. Der Blankeneser hat 2016 mit Til Mette und zwei anderen Künstlern das Buch „Dichter an Hamburg“ publiziert. Es gibt keine Berührungsprobleme, engagiert und unterhaltsam ist das Quintett mittenmang.

Wie ist es denn um Kunst und Kultur im Westen der Hansestadt bestellt? Viel Moos, nix los? „Auch auf diesem Gebiet beweisen die Elbvororte Qualität und Vielfalt“, sagt Klaas Jarchow. Er verweist auf diverse private Salons mit Musik und Malerei, auf Konzerte im Vereinshaus des Blankeneser Segelclubs, auf den Boom der Hausmusik allerorten. Leer stehende Läden eröffneten neue Chancen für Galerien oder Ausstellungen. So gibt es im Sörensenweg in Blankenese ein Atelier, dessen Betreiber mit Action-Painting am Bull’n oder im Römischen Garten auftritt. „Stimmt“, wirft Karin Klose temperamentvoll ein. In ihrer Musikschule spüre sie starkes Interesse, gerade auch von jugendlicher Seite. Sie selbst betreibt Hausmusik an der Elbchaussee.

Til Mette führt spontane Musikpartys im Freundeskreis an. Seine Töchter besuchten gerne das Konservatorium mit sehr engagierten Ausbildern. „Kinder sind das Tor zur Welt“, meint er. „Sie öffnen es auch im Bereich Kunst und Kultur.“ Bill Ramsey stimmt zu: „Genau dort ist in den Elbvororten eine Menge los.“ Freya Trampert berichtet von einem sehenswerten Theaterstück in einer Suite des Hotels Louis C. Jacob und von den Big Bands an den Gymnasien Blankenese und Hochrad in Othmarschen. Eine Menge ereigne sich im Verborgenen. Das habe Note.

Unter dem Strich herrscht Einigkeit: In den Elbvororten hat die Kunst kraftvoll Anker geworfen. Um ein bisschen Würze in die Diskussion zu werfen: Der Volksmund meint doch, dass Pfeffersäcke traditionell mit Kunst wenig zu schaffen und mehr materielle
Aspekte im Visier hätten. Stimmt das? „Man muss differenzieren“, sagt Karin Klose. Sie kennt gestandene Familien mit einem ausgeprägten Hang zu kulturellen Aktivitäten. Man lege enormen Wert auf Ausbildung und Wissen der Kinder – nicht nur in den guten Kreisen. „Old money und Kunst müssen sich keineswegs beißen“, ergänzt Bill Ramsey. „Im Gegenteil.“ Freya Trampert bringt den Unterschied zwischen Neureichen und Pfeffersäcken ins Gespräch. Während Letztere von jeher Wert auf eine kultivierte, künstlerisch ambitionierte Lebensweise legten, würde mancher Neureiche noch fremdeln. Aus ihrer Sicht habe sich die Mischung in den vergangenen Jahren verbessert. Junge Familien würden dazu beitragen. Diese bringen Offenheit und Aufgeschlossenheit in die Gesellschaft der Elbvororte, sagt Mette. „Vergesst die Sportvereine nicht“, wirft Jarchow ein, „da ist die Durchmischung am lebendigsten.“

Gutem Usus der Kajütenschnacks gemäß, ist das Thema nicht starr festgezurrt. „Gegen die Spezies der Pfeffersäcke ließe sich eine Menge sagen“, stellt Til Mette klar. Zwar seien gut betuchte Kaufmannskinder optisch rasch erfasst, die von ihren Eltern im Range Rover zur Schule kutschiert werden, doch befinde sich hinter den Kulissen oft Substanz und Faible für Kultur. Indes existiere – quasi wie in einer Karikatur – bisweilen eine „großbürgerliche Kleinstbürgerlichkeit“. Frau Trampert nickt. Sie erzählt von einer Beobachtung auf dem Parkplatz einer Kita: Dort saß ein Junge im Geländewagen – vor einem Fernsehgerät. Die anderen Gesprächspartner beschreiben genüsslich Frauen mit Reitstiefeln, Gürtel mit Schnallen aus vergoldeten Hufeisen und Männer mit den typischen grünwattierten Steppjacken.

Die fröhliche Kellnerin der Kajüte S.B. 12 bringt Nachschub: Mineralwasser, Weinschorle und Fritz Cola. Anlass zum Themenwechsel. Welche Orte in den Elbvororten schätzen die Anwesenden ganz besonders? Bill Ramsey kehrt gerne in der Kajüte am Elbufer oder ins Restaurant Ahrberg ein paar Meter weiter ein, geht ins Ö1 an der Elbchaussee oder in Sagebiels Fährhaus. Zum Spazierengehen schätzt er Jenisch- oder Hirschpark. Til Mette fährt mit Vorliebe im Bereich der Sülldorfer Pferdeweiden Fahrrad, spaziert durchs Treppenviertel oder braust mit seiner 20 Jahre alten Triumph Thunderbird durch die Gegend. Er mag die Matjesbrötchen Op’n Bulln und die Wurst bei Piccianti in Iserbrook. Karin Klose berichtet, dass man prima zum Restaurant Bäcker am Strandweg gehen könne. Und das Carroux an der Elbchaussee besuche sie, wenn dort Salsa-Abende oder Lounge-Musik auf dem Programm stehen.

Beim Absacker mit Blick auf die abendliche Elbe stellt sich die finale Frage von selbst: Hat noch jemand einen guten Tipp auf Lager? So ganz allgemein. Genannt werden Kunst in der Blankeneser Kirche, das Kino am Kiekeberg, Livemusik im Riva an der Blankeneser Bahnhofstraße, eine Galerie nahe der Tabea-Klinik oder die Weinbar Ravenborg mit After-Work-Livemusik. Das Beste, da herrscht Einigkeit: Dieser Abend ist jung. Eine Runde bitte noch.