Berlin.

Apis mellifica ist ein beliebter Inhaltsstoff homöopathischer Arzneimittel. Er wird aus geraspelten Honigbienen hergestellt und soll gegen Schwellungen wirken, die durch Allergien hervorgerufen wurden – etwa nach Insektenstichen. Oder Cocculus, Kockelskörner. Die Früchte eines asiatischen Baums wirken betäubend und lähmend. Sie werden beim Fischfang eingesetzt, weil sie Fische paralysieren, sodass diese mit der Hand aus dem Wasser geholt werden können. Bei Menschen soll die Substanz in homöopathischer Dosierung vor allem gegen Schwindel und Benommenheit helfen. Wegen der extremen Verdünnungen, die bei der Herstellung von Globuli & Co. üblich sind, verwenden die Homöopathen neben pflanzlichen Substanzen mitunter auch Hundekot, Rattengift, Bröckchen von Mutterkuchen oder Holzkohle, ohne dass den Patienten gesundheitlicher Schaden droht.

Das Geschäft mit der Alternativmedizin boomt. 2015 wurden in Deutschland für etwa 595 Millionen Euro Homöopathika umgesetzt – ein Plus von 12,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch Kritik an unappetitlichen Inhaltsstoffen und den Kostenerstattungen durch die Krankenkassen sowie Zweifel an der Wirksamkeit haben eine kontroverse Debatte über die als „besondere Therapierichtung“ geltende Homöopathie ausgelöst. Wie Arzneimittel pflanzlichen Ursprungs (Phytopharmaka) und die anthroposophische Medizin ist sie per Gesetz davon befreit, ihre Wirksamkeit gleich anderen Medikamenten und Verfahren nachweisen zu müssen.

Apothekenpflicht und Bezeichnung in der Kritik

Auch aus der Politik werden zunehmend Forderungen laut, den gesetzlichen Sonderstatus zu ändern. Zuletzt verlangte Mechthild Heil, Verbraucherschutzbeauftragte der CDU/CSU-Fraktion, die Apothekenpflicht für homöopathische Mittel abzuschaffen. Sie stört sich vor allem an dem „falschen Gütesiegel“, das die Apothekenpflicht suggeriere. Geht es nach Heil, sollen künftig auch die deutschen Namen der Wirkstoffe auf die Verpackung gedruckt werden. „Ich denke, viele Leute verwechseln da Naturheilmedizin und Homöopathie. Viele Leute denken an gute, bewährte pflanzliche Wirkstoffe. Wenn denen klar wird, dass Homöopathie auch bedeutet, dass der Gedanke an einen Stoff wirken soll, der sich wegen der starken Verdünnung gar nicht mehr darin befindet, dann finden das vielleicht auch mehr Leute irrsinnig“, sagte Heil im Gespräch mit dieser Zeitung.

Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sind derzeit rund 5000 homöopathische Mittel verzeichnet. Dabei sind Globuli, auch Streukügelchen genannt, die beliebteste Darreichungsform. Sie bestehen aus Rohrzucker (Saccharose), welcher mit dem jeweiligen Wirkstoff benetzt und anschließend an der Luft getrocknet wird. Die Urtinktur wird meist so stark verdünnt, dass diese chemisch nicht mehr nachweisbar ist.

Wissenschaftler schließen weitgehend aus, dass so eine Arznei eine Wirkung auf den Körper haben könnte – zumindest nicht nach physikalischen Gesetzen. Zahlreiche wissenschaftliche Studien konnten bisher keinen Beweis liefern, dass die Wirksamkeit über die von Placebos (Scheinmedikamente) hinausgeht. Erst 2015 kam eine Meta-Studie der australischen Regierung zu dem gleichen Ergebnis. Bei ihr wurden 176 internationale Studien ausgewertet.

Selbst die Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ), Cornelia Bajic, räumt gegenüber dieser Zeitung ein: „Der Wirkmechanismus ist bis heute nicht eindeutig geklärt.“ Als Nachweis für die Wirkung verweist Bajic sowohl auf eine Reihe interner Studien als auch auf die gefühlte Lage: „Die positiven Heilerfahrungen, die Patienten während einer homöopathischen Behandlung machen, wiegen schwerer als jede wissenschaftliche Debatte. Was man einmal selbst erlebt hat, überzeugt“, sagt Bajic.

Tatsächlich scheint die Mehrheit der Deutschen fest davon überzeugt zu sein, dass ihnen homöopathische Behandlungen helfen. Zu diesem Ergebnis kam 2014 eine Studie von Bertelsmann Stiftung und Barmer GEK, bei der knapp 7000 Versicherte befragt wurden. Mehr als 80 Prozent der Patienten, die homöopathisch behandelt wurden, gaben an, dass sich das Allgemeinbefinden sowie die seelische Verfassung verbessert haben. Auch körperliche Beschwerden hätten nachgelassen. Allerdings wird davon ausgegangen, dass schon das ausführliche Gespräch mit homöopathisch behandelnden Ärzten und Heilpraktikern eine positive Wirkung hat. Außerdem dürfte häufig der erwiesene Placebo-Effekt eine Rolle spielen. Der Glaube versetzt bekanntlich Berge.

Mit dem Verbraucherwillen argumentieren auch immer mehr Krankenkassen, die die Kosten für Homöopathika übernehmen. Aktuell zahlen rund zwei von drei Krankenkassen die Kosten für diese Behandlungen. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung, Andreas Gassen, ist strikt dagegen: „Für Homöopathie müssen die gleichen Regeln gelten wie für andere Leistungen, eine belegte Wirkung muss Grundlage für die Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse sein“, sagt Gassen im Hinblick auf fehlende Evidenzen.

Doch woher kommt der Glaube an die Globuli? Für Edmund Berndt, Apotheker und Autor des Buchs „Der Pillendreh“, geht es dabei vor allem um eines: Aberglauben – vergleichbar mit Mondkalender, Tageshoroskop, Heilmagneten oder Zaubersprüchen. „Homöopathie beruht auf veralteten, transrealen Vorstellungen, die religiösen Dogmen gleichen. Ihr die gleiche Kausalität, den gleichen Stellenwert wie den sonst gültigen medizinischen Erkenntnissen zuzuerkennen, ist fatal“, sagt Berndt.

Ärztin Natalie Grams verweist sogar auf Nebenwirkungen, die tödlich enden könnten, wenn Patienten auf Homöopathie vertrauten und lebenswichtige Behandlungen ablehnten. Grams war einst selbst überzeugte Homöopathin, bis sich bei der Recherche für ein Fachbuch Ernüchterung einstellte. Heute ist sie Vorsitzende des Netzwerks der Homöopathiekritiker. Dessen Ziel: die „therapeutische Unwirksamkeit homöopathischer Präparate“ allgemein bewusst zu machen.