Was mein unglückseliger Schnauzbart mit der „Parallelgesellschaft“ des CDU-Politikers Jens Spahn zu tun hat

Wer hätte jemals geahnt, dass es Hipster in Berlin-Mitte zum Wahlkampfthema bringen würden. Der Christdemokrat Jens Spahn hat nun beklagt, diese Leute würden eine Parallelgesellschaft bilden und als deutsche Muttersprachler viel zu viel Englisch im Berliner Alltag hinnehmen.

Herr Spahn und ich teilen das Schicksal, dass sich noch nie ein Trend nach uns gerichtet hat. Vor Jahren wollte ich mir einen Schnauzbart im Stil eines sogenannten Pornobalkens wachsen lassen. Hatte ich bei einem Bremer (!) Barkeeper so sehr bewundert, dass es mir nachahmenswert erschien. Schnell kamen Forderungen von Wohlmeinenden, diese Haare auf der Oberlippe müssten weg. Denn ich wäre damit überhaupt nicht „hot as Motown-shit“, sondern könnte nur für einen Polizisten gehalten werden, der schon an der Polizeischule Außenseiter war.

Ganz anders als Jens Spahn bleibe ich Anhänger unserer Parallelgesellschaften. Wenn sich die vollbärtigen Berliner Männer am Hipster-Bauch kratzen, gönne ich ihnen die irrige Gewissheit, der Nabel der Welt würde jucken. Denn wen, außer ihnen selbst, soll denn sonst noch interessieren, welches Kresse-Sandwich in Berlin momentan alle lecker finden?

Dabei bleibt mir ebenso fremd, warum Leute auf Mittelaltermärkten im Lederwams auf einer mit Recht vergessenen Flöte so rumnerven, dass man sie wie im Jahr 1107 sieden möchte. Keine Ahnung, wie sich die Mitglieder des Country- und Westernclubs Bommersheim einbilden können, um sie herum in Oberursel sei irgendwie auch New Mexico, ihre wahre indianische Heimat. Aber es gelingt ihnen offenbar prächtig.

Seit dem vergangenen Wochenende zwängt sich meine Gruppe wieder in spack sitzende Trikots. Wir sprechen zwar nicht Englisch, wenn wir vor dem Fernseher oder im Stadion sitzen. Schönes Deutsch ist es aber auch nicht. Wenn unsere Mannschaft doof spielt, können wir jetzt hoffen, dass wenigstens im Wahlkampf von uns als Parallelgesellschaft Gefahr ausgeht.