Hamburg. Zwei Jahre nach der Krise: Scholz will abgelehnte Asylbewerber integrieren, Merkel setzt Arbeitsgruppe ein

Volle Züge mit Flüchtlingen aus Ungarn, Tausende von Helfern und eine Stadt am Rande ihrer Kraft – im September 2015 erreichte die Flüchtlingskrise in Hamburg ihren Höhepunkt. Heute, zwei Jahre später, leben 50.000 Flüchtlinge in Hamburg. Gelingt ihre Integration? Das Abendblatt zieht eine große Zwischenbilanz.

Auf dem Arbeitsmarkt kann Hamburg bereits erste Erfolge vorweisen: Fast 7000 Flüchtlinge haben inzwischen einen Job gefunden, eine ebenso große Zahl hat die Sprachkurse durchlaufen. Die Schulen haben 10.000 Flüchtlingskinder aufgenommen – auf ihnen ruht die große Hoffnung der Politik, dass die Hansestadt langfristig von der Zuwanderung profitieren wird.

Auch die Risiken der großen Zahl von Flüchtlingen werden inzwischen sichtbar. In einzelnen Kriminalitätsbereichen – etwa dem Rauschgifthandel – machen Flüchtlinge ein Viertel der Tatverdächtigen aus. Wie eine exklusive Auswertung der Krankenkasse AOK für das Abendblatt ergab, sind bereits bei 3500 Flüchtlingen Traumata und schwere psychische Erkrankungen diagnostiziert worden – aber nur jeder Dritte fand bislang professionelle Hilfe bei einem Therapeuten.

Die Zahl der Ehrenamtlichen ist zurückgegangen, und auch Moscheen können nicht immer einen Beitrag zur Integration leisten. 72 Prozent der Flüchtlinge in Hamburg sind nach Abendblatt-Recherchen Muslime, nur zwölf Prozent christlichen Glaubens.

Eine besondere Herausforderung für Hamburg ist auch die große Zahl der geflüchteten Afghanen in der Stadt. Sie sind häufig von der Teilnahme an Sprachkursen ausgeschlossen, erhalten kaum Betreuung bei der Jobsuche. Nun deutet sich ein radikaler Kurswechsel im Bund an: Nach Abendblatt-Informationen hat Bundeskanzlerin Merkel (CDU) auf Initiative von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) eine Arbeitsgruppe mit Hamburger Beteiligung eingesetzt, um eine neue Strategie für den Umgang mit Flüchtlingen ohne sichere Bleibeperspektive zu erarbeiten.

Die SPD tritt dabei dafür ein, unter Umständen auch abgelehnte Asylbewerber von Förderprogrammen profitieren zu lassen. Solange diese Menschen in Deutschland seien, müssten sie besser unterstützt werden.

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