Kopenhagen.

Es ist der 10. August, als Kim Wall zum letzten Mal gesehen wird. Die 30-jährige Journalistin aus Schweden geht in Kopenhagen an Bord eines U-Bootes. Sie will eine Reportage über den dänischen U-Boot- und Raketenbauer Peter Madsen (46) schreiben. Doch von der Tour kehrt sie nie zurück. Wie die Polizei jetzt bekannt gab, ist Wall tot.

Die DNA eines Frauenoberkörpers, der am Montag von einem Radfahrer am Strand in der Kögebucht südlich von Kopenhagen entdeckt worden war, sei identisch mit der DNA der Journalistin, so die Polizei am Mittwoch.

Der Bericht der Kriminalbeamten ist nichts für schwache Nerven: Es sei festgestellt worden, so heißt es, dass die Körperteile absichtlich von Menschenhand abgetrennt wurden. Peter Madsen steht im Verdacht, versucht zu haben, den Torso mit einem schweren Metallgegenstand zu versenken.

Die Obduktion habe ergeben, dass der Täter die Luft aus den Lungen der Leiche gepresst hat. So sollte vermieden werden, dass sie wieder auftaucht, berichten die Beamten.

Zudem wurde Blut der Reporterin in Madsens vom Meeresgrund geborgenem U-Boot „UC3 Nautilus“ gefunden. Taucher waren am Mittwoch weiterhin im Einsatz, um den noch immer verschollenen Kopf und die Gliedmaßen der Reporterin zu finden.

Der U-Bootbauer galt als „genialer Erfinder“

Als das Gericht nach dem Verschwinden von Wall verfügt, Madsen 24 Tage in Untersuchungs-Haft zu nehmen, spricht der Richter vom Verdacht auf fahrlässige Tötung, nicht von Mord. Zuvor hatte Madsen zugegeben, dass es an Bord zu einem Unglück gekommen war, bei dem Kim Wall gestorben sei. Ihre Leiche habe er im Wasser „bestattet“. Alles andere bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Der Fall wird hinter verschlossenen Türen behandelt – aus Rücksicht auf die Familie der Journalistin, lautete die Begründung.

Die Polizei prüft nun, ob es einen Zusammenhang zu einem 30 Jahre zurückliegenden, auffällig ähnlichen Mordfall gibt. 1986 waren Leichenteile einer 22-jährigen japanischen Studentin namens Kazuku Toyonaga gefunden worden. 1987 wurde die Leiche der Interrail-Touristin identifiziert. „Den Fall werden wir uns auch angucken“, sagte Ermittlungsleiter Jens Möller am Mittwoch.

Laut Polizei hat Madsen ein Netz aus Lügen gesponnen, um nicht unter Verdacht zu geraten. Schon am Tatabend, als Kim Walls Freund die Reporterin gegen zwei Uhr als vermisst gemeldet hatte, versucht die Küstenwache, Madsen über Funk zu erreichen. Als er erst am späten Morgen antwortet, sagt er, er habe die Journalistin am Abend gegen 22.30 Uhr an einem Kopenhagener Restaurant abgesetzt. Am gleichen Tag sinkt dann sein U-Boot – laut Madsen wegen eines Defektes. Er wird gerettet, doch die Reporterin bleibt verschollen. Nach der Bergung am Folgetag meldet die Polizei, dass das U-Boot absichtlich versenkt wurde. Kim Wall bleibt über eine Woche spurlos verschwunden.

Am Mittwoch sagt Madsens Anwältin Betina Hald Engmark, ihr Mandant halte daran fest, dass sich lediglich ein tödliches Unglück im U-Boot zugetragen habe. Madsen sei unschuldig. „Die DNA-Analyse ändert nichts daran“, sagte sie.

Madsen gilt als schillernde Persönlichkeit. Er stammt aus armer Familie, soll unter einem strengen Vater gelitten haben – und hat den Ruf eines „genialen Erfinders“: Drei höchst seetüchtige U-Boote hat er daheim gebaut. Weil er als nächstes mit einer selbst gebauten Rakete ins Weltall wollte, nannten die Dänen den gern gesehenen Talkshowgast auch liebevoll „Raketen-Madsen“. Er gilt als impulsierv und energischer Sonderling – aber alle hielten ihn für harmlos.

„Ein Mann besessen von Pulver und Raketen. Faszinierend und unvorhersehbar. Intensiv und hyperaktiv. Ein erwachsener Mann, der sich wie ein ADHS-Kind auf Speed verhält“, beschrieb ihn die Dänin Susanne Johansson vor wenigen Tagen in einer lokalen Zeitung.

Sein Bruder verteidigte ihn noch kürzlich als hyperaktiven Technikfreak und Eigenbrötler mit liebenswerten Macken. Er habe autistische Züge, die etwa gewöhnliche Unterhaltungen, in denen es nicht um Technik und Wissenschaft geht, fast unmöglich machten. Aber er sei doch „kein Psychopath“. Nun ist der Bruder entsetzt. „Ich verzeihe ihm das nie, das ist so krank“, sagt er.

Ingrid Wall, die Mutter von Kim Wall, hat sich über Facebook gemeldet. „Mit grenzenloser Trauer und Bestürzung haben wir den Bescheid über den Fund der Überreste unserer Tochter Kim Wall entgegengenommen. Das Ausmaß der Katastrophe können wir noch nicht überblicken und viele Fragen müssen noch beantwortet werden“, schrieb sie.

Ihre Tochter sei eine Idealistin gewesen, die als freie Journalistin die ganze Welt bereist hatte – als Stimme der Unterdrückten. „Sie führte uns ins von Erdbeben erschütterte Tahiti, in Idi Amins Folterkammer in Uganda und auf die Minenfelder von Sri Lanka. Sie gab den Schwachen, den Verfolgten und Ausgegrenzten eine Stimme.“