Deichkind läutet mit einem Open-Air-Konzert auf der Trabrennbahn eine kreative Pause ein

„Ich wär’ jetzt viel lieber am Cornern, in jeder Hand ein Paderborner, Trichter und Schlauch gibt es bei Hornbach“, singt Deichkind-Porky in „L im Gesicht“, einer gemeinsamen Single von Deichkind und Beatsteaks, die vor einer Woche erschienen ist. Die beiden vielleicht besten Livebands des Landes haben mal eben eine späte Sommer-Hymne rausgehauen, sicher auch inspiriert vom Treiben rund um den Neuen Pferdemarkt unweit von Deichkinds Büro.

Dort wartet aber kein Paderborner, sondern ein Stapel Bücher für die Wartezeit, bevor Porky Zeit für einen Schwatz hat. Aphorismensammlungen und „Man muss seine Augen auch hinten im Kopfe haben – Zahlreiche Ratschläge, das Leben zu bewältigen von Friedrich Nietzsche“. Sehr erbaulich. Es passt in eines der vielen Selbstbilder von Deichkind, dieser ursprünglich Bergedorfer Truppe, die es in 20 Jahren von einer Hip-Hop-Truppe humoriger Hamburger Schule zu einem eigenen Mikrokosmos geschafft hat, der über allem schwebt, was mit Electro, Pop und Eskalation zu tun hat.

Stumpfes Remmidemmi ist es für die einen, intelligentes Spiegelbild der vergnügungssüchtigen Gesellschaft für die anderen. Denken Sie groß bei schönem Scheitern, beim Aufstand im Schlaraffenland. Wie ein Heuschreckenschwarm fällt Deichkind seit Jahren über Konzerthallen und Festivals her, und reißt sprichwörtlich die Bühnen ab. Wobei bei allem Durcheinander kaum noch Dada-Chaos auf den Brettern herrscht. Bestimmte früher „Zitze“, eine in der Garage gezimmerte Mischung aus UFO und Zapfanlage das Bild, so sind es jetzt perfekt abgestimmte Choreografien, fahr- und schwenkbare Pylone und ein Heer von namenlosen Statisten, die um Porky, Philipp, Ferris und DJ Phono wuseln.

Nach der Pause soll es wieder ein neues Album von Deichkind geben

Nun aber wird Deichkind zwei Jahre nach der aktuellen Platte „Niveau weshalb warum“ eine Pause einlegen und durchatmen. „Wir haben die Show jetzt bis in das kleinste Detail perfektioniert. Jetzt ist es Zeit für etwas Neues“, erzählt Porky, „und etwas Neues ist für mich erst einmal eine leere Bühne. Auf die werden dann, so wie bei unserem Echo-Auftritt, neue Ideen gefahren. Genau so ist das auch mit unserer Musik.“ Wie die klingen wird, ist noch nicht abzusehen. Klang-Nerd Philipp bastelt eigentlich ununterbrochen. „Es wird bald ein neues Album geben.“

Aber bevor die Pause eingeläutet wird, geht es noch einmal am 25. August auf die West-Ecke der Trabrennbahn. Noch mal alles geben. „Ich bin 40, eigentlich sollte man da nicht mehr Raubbau am Körper betreiben. Aber ich denke mir, dass in den nächsten 30 Jahren noch was erfunden wird, um alle Spuren des Lebens zu beseitigen. Bis dahin kannst du mich nachts um drei Uhr mit Magen-Darm und Fieber wecken und auf die Bühne schicken und ich mach das Ding.“ Und wenn das Tourloch doch zu dunkel wird, hat Porky noch ein paar kleine Geheimnisse. „Dafür spiele ich Bass in einer Rage- Against-The-Machine-Coverband. Und in einer Weihnachts-Bigband.“ Für frohe Feste ist also weiterhin stets gesorgt.

Deichkind Fr 25.8., 18.30, Trabrennbahn
(Bus 3), Luruper Chaussee 30, Karten zu
43,25 im Vorverkauf; www.deichkind.de