Valeska Grisebachs Abenteuerfilm „Western“ zeigt äußerst gekonnt den Clash von Kulturen

Für sich genommen sind es mustergültige Elemente eines Western: ein weißes Pferd, ein Held ohne Vergangenheit, eine Gruppe finsterer Gesellen mit dominantem Anführer, ein Städtchen im Nirgendwo, dessen „Saloon“ bzw. Straßencafé zum Schauplatz der Begegnung von Einheimischen und Fremden wird. All das gibt es in Valeska Grisebachs Film „Western“, und doch hat man an keiner Stelle das Gefühl, dass sich die Regisseurin beim Verfassen ihres Drehbuchs an etwas anderem als der Realität ein Beispiel nahm.

Der schweigsame Meinhard (Meinhard Neumann), den es mit einer Gruppe von Bauarbeitern in die bulgarische Provinz verschlagen hat, wirkt nicht nur echt, er ist gleichzeitig so unaffektiert, wie es meist nur Laiendarstellern in solchen Rollen des „einfachen Mannes“ gelingt. Seine Erscheinung mit dem rauen, hageren Gesicht, dem buschigen Schnurrbart und der hörbar untrainierten Stimme fesselt von der ersten Sekunde an.

„Western“ ist erst der dritte Spielfilm der in Bremen geborenen, aber in Berlin aufgewachsenen Grisebach. Der Film spielt unter und mit Menschen, denen das Kino nur selten Hauptrollen gibt.

Grisebach zeigt anfangs die Gruppe von deutschen Bauarbeitern, die im Nirgendwo ein Wasserkraftwerk bauen sollen, als ginge es um einen Dokumentarfilm. Die Männer können sich der Umgebung nicht wirklich verständlich machen: Nur wenige Bulgaren sprechen Deutsch, sie selbst sind weder des Bulgarischen noch des Englischen mächtig. Abseits des Dorfes bunkern sie sich in notdürftig hergerichteten Unterkünften ein und hissen mit Macho-Attitüde die deutsche Flagge. Wie solche Gesten im Dorf ankommen, darüber machen sie sich keine Gedanken.

Als eine Ladung Kies ausbleibt, sieht sich die Truppe für ein paar Tage zur Untätigkeit verdammt. Man trinkt und frotzelt. Sie finden ein Pferd, dass niemandem zu gehören scheint, und Meinhard, der Stillste unter ihnen, nutzt die freie Zeit, um den „Ritt“ ins Dorf zu den Einheimischen zu wagen. Dort wird er zunächst schräg angeguckt, aber durch Hartnäckigkeit und den Willen, über die Sprachbarrieren hinweg zu kommunizieren, formt er Bekanntschaften. Das weckt wiederum das Misstrauen der deutschen Kollegen.

Grisebach zeigt, wie Kulturen aufein­anderstoßen und der Mangel an Sprachkenntnissen gegenseitige Vorurteile vertieft und Konfliktlösungen erschwert. An keiner Stelle wirkt der Film dabei plakativ. Die Regisseurin interessiert sich zudem für die Mut- und Kraftproben, in denen die Männer untereinander wieder und wieder ihre Beziehungen neu verhandeln.

Beim Baden im Fluss will Vorarbeiter Vincent (Reinhardt Wetrek) mit einer Frau flirten, stellt sich aber so tumb an, dass er die Situation lieber in ein hässliches Einschüchterungsspiel münden lässt, als die Demütigung einer Zurückweisung zu ertragen. Sein Verhalten hat Folgen. Fast erwartet man, wie im richtigen Western, ein finales Duell. Aber dann verhalten sich die Menschen eben doch anders und sehr viel weniger schießwütig.

„Western“ D/BG, 2017, 121 Min., ab 12 J.,R: Valeska Grisebach, D: Meinhard Neumann, Reinhardt Wetrek, Vyara Borisova, täglich im Abaton, Zeise; western-der-film.de