Ich mag Air Berlin. Die Fluggesellschaft ist typisch deutsch – und lebensbejahend

Ich gestehe: Ich bin leicht zu korrumpieren. Ein Schokoladenherz reicht. War doch immer wieder nett, die Süßigkeit beim Aussteigen noch auf der Treppe zu zerbrechen und beide Hälften übereinander in den Mund zu stopfen, um das Unterzuckern zu bekämpfen, erst recht, seit der Bord­imbiss zu zahlen war. Für die Wartezeit am Gepäckband hätte allerdings ein halber Karton Herzen hergemusst.

Und ich gestehe: Manchmal, aber wirklich nur manchmal, lagen die Herzen so günstig Rücken an Rücken, dass man zwei auf einmal schnappen konnte. Natürlich ahnten die Flugbegleitenden, was in der Schokoschachtel vor sich ging. Sie waren dennoch meist umgänglich, manche sogar lustig, auch wenn sie wussten, dass es bald vorbei sein würde, auch wenn sie sich anmisten lassen mussten für Gepäckchaos, das sie nicht zu verantworten hatten.

Niemand brauche diese Fluggesellschaft, meinte ein oberschlauer Kollege. Aber gilt das nicht für 80 Prozent von allem? Braucht die Welt streikende Lufthansa-Piloten? Die Massenmenschhaltung bei Ryanair? US-Airlines, auf deren Mittelplätzen es sich wie beim Waterboarding atmet? Braucht die Welt überhaupt Fluganbieter, die mit steuerbefreitem Sprit und Staatsknete das Klima ruinieren?

Ich mochte dieses Unternehmen, das den lebensbejahenden Duty-free-Spirit der Sansibar verströmte. „Air Bielefeld“ wäre womöglich passender gewesen, denn Air Berlin war superdeutsch, ein bisschen zu braun, ein bisschen zu piccolohibbelig, aber sozial auch durchlässig, vorne Jürgen Drews, hinten der Typ mit der Herrenboutique in Wuppertal. Harmlose Besserverdiener halt. Schlimm? Ästhetisch manchmal schon. Aber es gab Schlimmeres. Das BER-Desaster zum Beispiel.

Wäre der Berliner Großflughafen halbwegs pünktlich fertiggestellt worden, hätte Air Berlin eine richtig große Fluglinie werden können und die Lufthansa eines Tages gekauft. Dann gäbe es auch weiterhin Schokoladenherzen.