Hamburg. Am Mittag bargen Polizeitaucher erneut einen Körperteil aus dem Gewässer. Erstmals gibt es womöglich eine Spur zum Täter.

Die Mordkommission der Hamburger Polizei hat erneut einen Leichenteil aus dem Winterhuder Goldbekkanal geborgen. Polizeitaucher hatten ihn am Mittag entdeckt. Auch bei diesem Körperteil handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Leichenteil der vermissten 48 Jahre alten Prostituierten.

Nach jetzigem Stand wurden in Billbrook der Torso, in Rissen zwei Körperteile, in Rothenburgsort ein Körperteil und in Winterhude bislang vier Körperteile gefunden.

Die Polizei bittet Zeugen, die ab dem 1. August verdächtige Beobachtungen im Bereich von Hamburger Gewässern gemacht haben, sich unter der Rufnummer 040/4286-56789 zu melden. Eventuell könnte auch ein weißes Fahrzeug in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen.

Kriminologe: "Eiskalt und sehr strukturiert"

Der Kriminologe Wolf-Reinhard Kemper von der Leuphana-Universität in Lüneburg glaubt in diesem Fall an einen eiskalten, sehr strukturiert vorgehenden Täter. „Dieser Fall lässt noch sehr viel Raum für Spekulationen“, sagt Kemper. Dass die Frau das Opfer einer Bestrafungs­aktion im Milieu wurde, glaubt er nicht. „So ein Fall, vor allem die Vorgehensweise bei der Entsorgung der Leichenteile, verursacht zu viel Unruhe in der Szene.“ Auch dass ein Freier die Frau „aus Versehen“, beispielsweise bei bizarren Praktiken tötete, glaubt er nicht. „In so einem Fall gerät der Täter eher in Panik, weil er nicht damit gerechnet hat, dass so etwas passiert, und ist anschließend nicht zu einem strukturierten Vorgehen fähig.“

Kemper glaubt, dass hier ein Täter am Werk ist, der sein Vorgehen geplant hat. „Der Umgang mit der Toten ist sehr respektlos und zeugt von Verachtung“, sagt Kemper. Für die Entsorgung der Leichenteile muss sich der Täter zum Beispiel Verpackungsmaterial bereitgelegt haben.

Hoch psychotischer Täter

Warum die Leiche wie ein „Puzzle“ über die Stadt verteilt wurde, ist auch dem Experten ein Rätsel. „Möglicherweise hoffte der Täter so, dass er die Tat verbergen kann und die Leichenteile einfach auf den Grund eines Gewässers absacken und dort vermodern“. Das wiederum würde für eine gewisse Naivität sprechen. Kemper: „Ich glaube aber auch in dem Fall, dass wir es mit einer hoch gefährlichen, hoch psychotischen und klar strukturierten Person zu tun haben.“

Gab es bereits vergleichbare Fälle?

Bei der Polizei hält man sich bislang sehr bedeckt. Noch laufen Ermittlungen im Umfeld des Opfers. Bei der Frau handelt es sich um eine Prostituierte, die seit Jahren nach St. Georg kam, um hier ihrem Gewerbe nachzugehen. Sie selbst hat afrikanische Wurzeln, soll aber in Spanien gelebt haben, wo sie eine Familie mit Kindern hat. Die Identifizierung der Frau war schnell möglich gewesen, weil man am ersten Fundort in Rissen auch die HVV-Abokarte der Toten entdeckt hatte. So gab es einen Hinweis auf die Identität des Opfers, der durch einen DNA-Test bestätigt wurde.

Ermittler der Mordkommission versuchen Kontaktpersonen der Frau ausfindig zu machen. Dort ist auch nicht ausgeschlossen, dass es doch eine Beziehungstat ist. Der Kriminologe Kemper zieht auch eine andere Variante in Betracht: „Bei diesem Vorgehen sollte man prüfen, ob es vergleichbare Fälle gibt und wir es hier mit einem Täter zu tun haben, der schon einmal gemordet hat“, sagt Kemper. Dabei müsse man nicht national, sondern international nach vergleichbaren Fällen suchen.