Hamburg. Die acht und neun Jahre alten Jungen waren 1981 tot in Allermöhe gefunden worden. Polizei stand bereits einmal kurz vor dem Durchbruch.

Michael Riesterer und Haluk Kocal wären heute gestandene Männer. 44 und 45 Jahre alt. Vermutlich hätten sie Familie, einen Beruf, ein ganz normales Leben. Beide wurden ermordet. Als Kinder, als sie acht und neun Jahre alt waren. Das war 1981. Jetzt wird der Fall wieder aufgerollt. Es ist ein „Cold Case“-Fall, einer ohne heiße Spur. Die Beamten der vierköpfigen Ermittlungsgruppe, kurz EG 163, erhoffen sich jetzt, 36 Jahre nach der Tat, doch noch Hinweise, die zum Mörder der beiden kleinen Jungen führen.

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Es war ein warmer Tag, der Montag im Juni 1981, als Haluk Kocal und Michael Rieser das letzte Mal lebend gesehen wurden. Haluk, so berichtete das Abendblatt damals, hatte sich gegen 18 Uhr von seiner Mutter verabschiedet. Er wollte nach den Schulaufgaben noch etwas draußen spielen. Um 19 Uhr wollte der Junge wieder zurück sein.

Fast gleichzeitig verabschiedete sich in der Straße Godenwind im Haus gegenüber Michael von seiner Mutter. Er hatte die Fernsehserie „Lassie“ geschaut. Die „Sesamstraße“ mochte Michael an diesem Tag nicht sehen – er wollte lieber noch einmal raus. Die beiden Jungen, Spielkameraden, trafen sich. Mit ihren Fahrrädern fuhren sie in Richtung der Boberger Dünen. Auf dem Parkplatz unterhalb der Bergedorfer Straße sind sie vermutlich auf ihren Mörder getroffen.

Mann sprach sie neben offenem Kofferraum an

Die Polizei ermittelte, dass sie dort mit einem Mann sprachen, der mit einem Auto gekommen war, an dem die Kofferraumklappe offen stand. Danach verliert sich die Spur für fast eineinhalb Monate. Nur die beiden Fahrräder der Jungen wurden in einem Gebüsch, etwa fünf Meter vom Parkplatz entfernt, entdeckt. Der damals 15 Jahre alte Bruder von Michael hatte sie entdeckt.

44 Tage lang hofften die Eltern der beiden Jungen, ihre Kinder lebend wiederzusehen. Die Polizei hatte tagelang nach ihnen gesucht. Hundertschaften der Bereitschaftspolizei durchkämmten die Boberger Dünen. Vergeblich. Die Eltern klammerten sich an Vermutungen: Einer hat vielleicht den anderen dazu überredet „auszureißen“.

Am 29. Juli 1981 wird ihre Hoffnung zerstört. Eine Zwölfjährige und ein Junge (16) entdeckten an dem Tag zwölf Kilometer von Mümmelmannsberg entfernt im Naturschutzgebiet „Die Reit“ zwei schon weitgehend skelettierte Kinderleichen. Beide liegen zwischen Büschen in hüfthohen Brennnesseln auf dem Bauch. An ihrer Kleidung können die Kinder schnell identifiziert werden. Es sind die lang gesuchten Haluk und Michael. Rechtsmediziner können feststellen, dass beide Kinder erdrosselt wurden. Es wird von einem Sexualdelikt ausgegangen.

Desaster nach vermeintlichem Durchbruch

Ein Jahr ermittelte die Mordkommission. Dann führte die Spur mit der Nummer 466 zu einem Mann, der heute noch in Berlin lebt. Sein Foto erschien im Zusammenhang mit einem Prozess wegen Tierquälerei in der Zeitung. Eine Zeugin war sich sicher: Das ist der Mann mit der auffälligen Narbe im Gesicht, den sie am Tag des Verschwindens der beiden Jungen auf dem Parkplatz unterhalb der Bergedorfer Straße sah. Doch die Mordermittler konnten ihm zunächst nichts beweisen.

Dann, weitere eineinhalb Jahre später, schien der Durchbruch gekommen. Die Beamten entdeckten in Travemünde den Opel Diplomat, den der Verdächtige im Juni 1981 gefahren hatte. Dort fanden sich Hunderte von Haaren – der Mann handelte mit Hunden, hatte die Tiere im Fahrzeug transportiert. Zwei Wissenschaftlerinnen aus der Kriminaltechnik fanden „die Nadel im Heuhaufen“. Sie entdeckten auch Haare, die von den beiden Kindern stammen. Mittlerweile ist Februar 1984. Eine Öffentlichkeitsfahndung brachte Erfolg: Er stellte sich, bestritt aber die Tat.

Was dann folgte, war für die Ermittler ein Desaster. Das BKA erstellte ein Gutachten, laut dem es nicht die Haare der Jungen sein sollen. Ein weiterer Gutachter wurde eingeschaltet. Er kam zu keinem eindeutigen Ergebnis. „Ein zur Anklageerhebung hinreichender Tatverdacht liegt nicht mehr vor“, hieß es in einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft.

DNA-Analysen gab es damals noch nicht. Heute schon. Aber die damals sichergestellten Haare sind bei den Gutachten verbraucht worden. So ist es ein „kalter Fall“. Die Ermittler hoffen, dass sich doch noch jemand erinnert. Vor allem Beobachtungen an dem Parkplatz an der Straße Unterberg oder am Naturschutzgebiet „Die Reit“ wären hilfreich. Zudem braucht man Hinweise auf ein Teppichstück, das am Fundort der Leichen sichergestellt wurde. Vermutlich war es die Rückablage eines VW Passat