Das Familiendrama „Der Wein und der Wind“ ist unsentimental und doch ergreifend

Es ist eine eigenartige Mischung aus Vertrautheit und Befremden, aus Wehmut und Genugtuung, das den Rückkehrer ergreift, wenn er an die Stätten der eigenen Kindheit zurückkommt. Der französische Regisseur Cédric Klapisch fängt sie zu Beginn seines neuen Films „Der Wein und der Wind“ auf stimmungsvolle Weise ein. Da kehrt Jean (Pio Marmai) nach zehn Jahren in seine Heimat, ein Weingut im Burgund, zurück. Zu Fuß läuft er durch die Weinberge auf sein Elternhaus zu, während er sich daran erinnert, wie er die Landschaft als Kind gesehen hat: jeden Tag anders. Jetzt kommt es ihm verdächtig unverändert vor.

Dabei ist nichts mehr so, wie es war. Jeans Vater liegt im Sterben, seine jüngere Schwester Juliette (Ana Girardot) muss nun die Entscheidungen über den Wein treffen. Der kleine Bruder Jérémie (François Civil) ist frisch verheiratet und kämpft mit der Dominanz der Schwiegereltern. Mit dem Tod des Vaters sehen sich die Geschwister vor neue Probleme gestellt: Die hohe Erbschaftssteuer lässt es notwendig erscheinen, das Gut zu verkaufen. Aber wollen sie das, was ihr Vater aufgebaut hat, wirklich aufgeben? Jean muss sich zwischen Bleiben und Fortgehen entscheiden. Und die ganze Zeit fordert der Wein sein Recht: Er muss gelesen, gekeltert, gespritzt und geschnitten werden. Wer auf dem Land arbeite, sinniert Jean, bekomme schnell das Gefühl, dass nicht ihm das Land gehöre, sondern dass man selbst dem Land gehöre.

Regisseur Klapisch lässt einen kompletten Weinzyklus vergehen, von Lese zu Lese. Die Familiengeschichte fügt er organisch in deren Arbeit mit und um den Wein herum ein. Damit gelingt ihm ein selten unsentimentaler, ergreifender und dokumentarischer Film über Tradition und Erbe und die wundersame Tätigkeit des „Weinmachens“.

„Der Wein und der Wind“ F 2017, 104 Min., o. A., R: Cédric Klapisch. D: Pio Marmai, Ana
Girardot, François Civil, täglich im Passage, Zeise, UCI Othmarschen-Park; www.studiocanal.de