Das Historiendrama „Der Stern von Indien“ ist reißbrettartig angelegt und trieft vor Kitsch

Im Abspann erzählt dieser Film eine kleine Geschichte. Sie handelt von der Großmutter der Regisseurin Gurinder Chadha. Diese, so lernen wir, überlebte die Aufstände während der Teilung Indiens im Jahr 1947, nachdem sie sich einem langen und beschwerlichen Treck ins neu gegründete Pakistan angeschlossen hatte, wo sie ihren verloren gegangenen Ehemann wieder traf.

Es ist leider der einzige lebensechte, überzeugende Moment des Films. Lustlos und konventionell versucht er einen Aufguss des Romeo-und-Julia-Sujets zu verkaufen und steht sich dabei selbst im Weg. 1947, als Lord Mountbatten (Hugh Bonneville) und seine patente Frau Edwina (Gillian Anderson) nach Delhi kommen, um die einstmals britische Kronkolonie in die Unabhängigkeit zu entlassen, laufen sich auch zwei Bedienstete über den Weg, die einmal zwei Verliebte waren: der junge Hindu Jeet (Manish Dayal) und die schöne Muslima Aalia (Huma Qure­shi). Eine Beziehung über die Religionsgrenzen hinweg ist in dieser Zeit gesellschaftlich nicht akzeptabel, außerdem ist Aalia längst einem anderen versprochen worden. Doch Jeet wirbt so energisch um sie, dass die alte Liebe wieder auflebt.

Das alles vor dem Hintergrund der explosiven politischen Lage. Überall im Land kommt es zu Ausbrüchen der Gewalt zwischen den verfeindeten Gruppen. Lord Mountbatten führt Gespräche mit dem Führer der Muslimliga Muhammad Ali Jinnah (Denzil Smith), der die Gründung eines muslimischen Separatstaates vorschlägt, und seinem Gegenspieler Mahatma Gandhi (Neeraj Kabi), der für ein vereintes Indien eintritt. Und dieser Konflikt spiegelt sich natürlich im Liebespaar.

Die reißbrettartige Dramaturgie hätte durch Dialogwitz oder originelle Bilder noch vertuscht werden können, aber auch hier herrscht leider Mangel. Die Figuren sind dazu verurteilt, entweder historische Erklärsätze zu proklamieren – nicht jeder ist ja bewandert mit den Umrissen des britischen Abzugs aus Indien. Oder sie müssen, wie Jeet und Aalia, in hauchender Sehnsucht die Liebe beschwören.

Und auch die Bilder vermögen mit dieser großteils als Kolportage-Kitsch daherkommenden Geschichte nicht zu versöhnen – eben weil sie auch kitschig sind. Die Pracht des Palastes, die Makellosigkeit der Kleider, die strahlenden weißen Zähne, der ganze Prunk vor schweren Vorhängen: Man fragt sich schnell, ob man hier wirklich in einem Film mit Realitätsanspruch gelandet ist oder nicht vielmehr in einer Art Hochglanz-Reiseprospekt für Menschen, die sich nach einer Vergangenheit mit Goldkante sehnen.

Da können auch die solide aufspielenden Gillian Anderson und Hugh Bonneville nicht mehr viel retten. Manche Szenen wirken fast wie die surreale Gegenwelt eines Musicals. Gesang bleibt uns aber Gott sei Dank erspart.

„Der Stern von Indien“ GB/Indien 2017, 107 Min., ab 6 J, R: Gurinder Chadha, D: Hugh Bonneville, Gillian Anderson, Manish Dayal, Huma Qureshi, täglich im Abaton (OmU), Holi, Passage, UCI Mundsburg; Internet: www.dersternvonindien.de