Hannover. Grüne wechselt zur CDU. Ministerpräsident Weil (SPD) spricht von Intrige. Abstimmung am 24. September?

Ein politisches Erdbeben erschüttert SPD und Grüne in Niedersachsen. Weil eine Abgeordnete der Grünen zur CDU wechselt, verliert die rot-grüne Landesregierung in Hannover ihre Einstimmen-Mehrheit an das Lager von Union und FDP. Nun soll die für Januar geplante Landtagswahl vorgezogen werden – möglicherweise schon auf den 24. September. An diesem Tag ist auch die Bundestagswahl.

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) spricht von einer „Intrige“ und plädiert für eine rasche Selbstauflösung des Parlaments, um Neuwahlen zu ermöglichen. Einen Rücktritt lehnte er ab. Weil: „Wenn eine Abgeordnete des niedersächsischen Landtags aus ausschließlich eigennützigen Gründen die Fraktion wechselt und damit die von den Wählern gewollte Mehrheit verändert, halte ich das persönlich für unsäglich, und ich halte das für sehr schädlich für die Demokratie.“ CDU-Fraktionschef Björn Thümler signalisierte Unterstützung für die von Weil vorgeschlagene Selbstauflösung des Landtags. Dafür stehe die CDU-Fraktion zur Verfügung. Dazu müssen zwei Drittel der anwesenden Mitglieder mit Ja stimmen, auch viele von der CDU. Die Landesverfassung sieht aber auch die Möglichkeit vor, dass der Landtag dem Ministerpräsidenten das Vertrauen entzieht und einen Nachfolger wählt.

Die Abgeordnete Elke Twesten begründete ihren Wechsel von den Grünen zur CDU damit, dass die Grünen sie nicht für die Landtagswahl im Januar 2018 in ihrem Wahlkreis in Rotenburg (Wümme) nominiert haben. Sie habe sich seit Längerem von den Grünen entfremdet. Nun sehe sie ihre politische Zukunft in der CDU, sagte sie – und bezeichnete sich als Anhängerin von Schwarz-Grün. CDU-Landeschef Bernd Althusmann versicherte, seine Partei habe der 54-Jährigen keine Lockangebote gemacht.

In Regierungskreisen wurde nicht ausgeschlossen, dass parallel zur Bundestagswahl am 24. September gewählt werden könne. Landeswahlleiterin Ulrike Sachs sagte der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, eine Landtagswahl an dem Tag sei theoretisch möglich.

Thümler will der CDU-Fraktion empfehlen, die Ex-Grüne aufzunehmen. Dann hätten CDU und FDP zusammen 69 Sitze im Landtag, SPD und Grüne 68 Sitze. Bislang war es umgekehrt. Den Schritt Twestens nannte Thümler „doch etwas kurios“.

Die Grünen in Niedersachsen forderten ihre bisherige Abgeordnete Twesten auf, ihr Mandat zurückzugeben. Ähnlich äußerten sich auch Vertreter der Bundespartei. Der aus Niedersachsen stammende frühere Grünen-Bundesumweltminister Jürgen Trittin warf der abtrünnigen Abgeordneten vor, sie habe mit den Stimmen der Bürger für die Grünen „Schindluder getrieben“.

Kanzlerkandidat und SPD-Chef Martin Schulz wirft Twesten vor, sie begehe „nicht nur Verrat an den Wählerinnen und Wählern, sondern auch Verrat an Rot-Grün“.


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