Stanley Tuccis Biopic „Final Portrait“ über den Schweizer Maler hat Unterhaltungswert

Es ist eines dieser Angebote, die man nicht ablehnen kann. Paris 1964: Der bereits weltberühmte Schweizer Künstler Alberto Giacometti (Geoffrey Rush) fragt seinen jüngeren Freund James Lord (Armie Hammer), ob er ihn nicht kurz auf der Leinwand porträtieren könne. Lord möchte zurück nach New York, aber die Chance, in Giacomettis Œuvre einzugehen, will er nicht verstreichen lassen.

Auf diese drei Wochen hat sich Regisseur Stanley Tucci in diesem Biopic fokussiert und folgt dabei der erprobten Strategie des Genres, das Leben eines berühmten Menschen in einer kurzen, aber charakteristischen Zeitspanne zu verdichten. Wir erfahren also nichts über Giacomettis Kindheit, seine kubistisch-surrealistischen Anfänge, seine Ver­netzung im intellektuellen Milieu von Balthus über Picasso bis hin zu Beckett und Sartre. Der Schauspieler Tucci interessiert sich in einem seiner raren Regiefilme für ein Thema, das auch Giacometti stets umtrieb: die künstlerische Existenz.

Und die spielt Geoffrey Rush mit Knorrigkeit aus. Sein Giacometti ist unleidlich und launenhaft, er bellt vor sich hin. Beschimpft seine Frau Annette (Sylvie Testud), die er mit der Prostituierten Caroline (Clémence Poésy) demütigt, oder schnauzt seinen Bruder Diego (Tony Shalhoub) an, wenn er sich nicht gerade rauchend im Bistro volllaufen lässt. Vor allem ist es die Leinwand, die seinem Willen nicht gehorchen will und auf die er besonders einteufelt. Und das hat – erstaunlich – doch einen Unterhaltungswert.

Tucci interessiert sich für die Oberflächen, ohne oberflächlich zu werden. Genauso häufig, wie wir das so eindrucksvoll vom Leben gegerbte Gesicht Rushs vorgeführt bekommen, sehen wir den Pinsel über die Leinwand fahren, sehen wir die ständigen Korrekturen und Übermalungen. Giacometti so zur Hauptfigur eines Kammerspiels zu machen ist eine riskante Entscheidung, im Fall von „The Final Portrait“ aber aufgegangen.

„Final Portrait“ GB 2017, 94 Min., o. A., R: Stan Tucci, D: Geoffrey Rush, Armie Hammer, täglich im Abaton, Blankeneser, Holi; finalportrait.prokino.de