Othmarschen . Beim zweiten Kajütenschnack nahmen Restaurantkritiker, Gastronomen und Unternehmer an dem Elbvororte-Stammtisch Platz

Appetit ist ansteckend, na klar, gute Laune ebenfalls. Christian Rach, viel mehr als nur Genussmensch und Restauranttester, übernimmt den Aufschlag – mit einem Kompliment für Eisprinzessin Lara Priebe. Rach begeistert sich für die Qualität der Waldmeister-Eiscreme, dann kommt er auf den Gastro-Gründerpreis zu sprechen. „Ich habe für die Eisprinzessinnen gekämpft“, sagt er. „Zwei junge Frauen mit gesicherten Jobs haben eine Leidenschaft und machen ohne Netz und doppelten Boden ein Geschäft auf – mehr geht nicht.“

Zustimmendes Nicken bei den anderen Gästen des Stammtisches. Denn auch Jan Baumann vom Imbiss auf dem Blankeneser Markt, Katharina Baumgartner vom Restaurant To’n Peerstall am Hochrad und Vito Convertino als Patron des Ristorante Vito in der Bleickenallee wissen aus Erfahrung nur zu gut, dass ohne Herzblut, Risikobereitschaft und enorme Einsatzfreude in der Gastronomie nichts läuft. Wie schon beim ersten Kajütenschnack in der Dübelsbrücker Kajüt in Teufelsbrück begegnen sich die fünf Profis auf Augenhöhe. Im wahrsten, aber auch im übertragenen Sinne.

Erneut macht die Mischung den Reiz, wie bei einer guten Speisekarte. Auf der einen Seite erfahrene Gastronomen wie Frau Baumgartner und Signore Convertino. Auf der anderen Seite eine Persönlichkeit mit völlig freier Meinung wie Christian Rach, ein Mann mit direktem Basiskontakt wie Jan Baumann und eine mutige Seiteneinsteigerin wie Lara Priebe.

Und wo kehren die Damen und Herren ein, wenn sie einmal nicht im eigenen Geschäft sein müssen? Vor der Antwort wird das Sie über Bord geschmissen; das Quintett ist automatisch beim Du. Katharina und Jan preisen unisono den Wohnzimmer-Charakter und die gute Kost beim Griechen Spiros & Spiros an der Sülldorfer Landstraße. Vito preist einen Vietnamesen in Eimsbüttel, Lara die internationale Speisenvielfalt in ihrem Stadtteil. Christian packt „Butter bei die Fische“: Das Restaurant „Zum Bäcker“ in Blankenese mit wiederbelebter deutscher Küche, Helena und Joaos Flottbeker Schmiede sowie der Libanese Hala am Beselerplatz in Othmarschen seien „im Viertel angekommene Läden“. Die Fünf sind einer Meinung: Wer etwas Solides oder das Besondere sucht, wird vor Ort fündig – und zwar für jeden Geldbeutel.

Eben jeder nach seinem Gusto und seinem persönlichen Geschmack, da herrscht gleichfalls Einigkeit. Und wie sieht’s privat aus, zu Hause also? Während sich Vito und Lara daheim meist diskret zurückhalten, bereiten Katharina und Jan am eigenen Herd mit Vorliebe Hausmannskost zu. „Ravioli aus der Dose gab’s bei mir zuletzt in der Pfadfinderzeit“, ergänzt Jan. Lachen am Tisch. Wenn Christian nicht gerade außerhalb Hamburgs unterwegs sei, koche er meist drei bis viermal in der Woche selbst. Und womit? Mit großer Lust und Inspiration.

Die Zutaten organisiere er sich auf dem Flottbeker Wochenmarkt, seiner Einkaufsquelle Nummer eins und ein soziales Zentrum obendrein, oder in den Fachgeschäften in der Waitzstraße. Apropos: „Ich mache mir Sorgen, was wohl in sieben Jahren mit der Waitze ist.“ Zuletzt fand man, von den Bauarbeiten einmal abgesehen, oft einen Parkplatz, und auch das Anstehen habe früher gefühlt länger gedauert. „Es wäre schade, wenn meine Sorgen auf Dauer berechtigt wären“, sagt Rach.

Umso besser, dass es an Jan Baumanns Imbiss auf dem Blankeneser Wochenmarkt konstant brummt. Harte Arbeit ist der Preis. „Sein Stand hat ja eine Identität, einen unverkennbaren Charakter“, wirft Rach in die Runde. Eine kleine Palette mit etwa 15 Produkten inklusive Getränken, das sei ein unverfälschtes, eindeutiges Geschäftsmodell. Baumann sagt, er habe Burger oder Spareribs als weitere Angebote getestet, es letztlich aber wieder sein lassen.

Wer über kein klares Konzept verfüge, könne Probleme haben. Alle stimmen zu. Gute Gastronomen, meint Christian Rach, würden am Wochenende in der Regel ausgebuchte Tische haben. So wie das Ristorante Vito. Dort habe er jüngst „vortreffliche“ Bandnudeln mit Steinpilzen genossen.

„Unter dem Strich ist der Suppenesser genauso wichtig wie der Gourmet“, fügt Vito Convertino hinzu. Gerade auch in den Elbvororten würden die Leute derzeit mehr aufs Geld achten. „Stimmt absolut“, ergänzt Jan Baumann, „andererseits legen sie mehr Wert auf Qualität.“ Seine Klientel bestehe zu 85 Prozent aus Stammkunden. Schnickschnack sei nicht gefragt. Die Konkurrenz habe dazu geführt, dass der Preis für eine Currywurst von 2,50 Euro im Jahr 2008 bis heute nur um 20 Cent gestiegen ist. „Zu wenig Steigerung“, kommentiert Rach. Doch wenn’s der Markt nicht hergebe. . .

Bei den Eisprinzessinnen, berichtet Lara Priebe, sei der Preis für eine große Kugel seit 2015 um zehn Cent gestiegen. Fehler bei der Preisgestaltung könnten rasch bestraft werden. Dieses Credo beherzigt jeder an diesem Stammtisch. Die Arbeitsstunden hat keiner von ihnen je gezählt. Würde nur Frust bringen. „Das darf man nicht mit herkömmlichen Berufen vergleichen“, weiß Katharina Baumgartner. Sie entstamme einer Gastronomenfamilie und sei seit ihrer Jugend mit dem harten Geschäft vertraut. Oft arbeitet sie an sechs Tagen in der Woche. Lara lächelt wissen. Vito ebenfalls.

Wie schön wäre es doch, seufzt sie, wenn man sich aufs Kochen und Servieren beschränken könne. Allerdings machten steigende Mieten, alle möglichen Prüfungen, schriftlicher „Behördenkram“ und die Suche nach qualifiziertem, zuverlässigem Personal das Gastronomenleben alles andere als leicht.

Beim Stichwort Personal ist ein kollektives Aufstöhnen zu hören. Doch ist dies ein Thema für sich. Manches angestammte Restaurant in den Elbvororten habe schließen müssen. Siehe Nienstedten gleich mehrfach, siehe Othmarschen. „Die wenigsten Gastronomen können in eigenen Immobilien arbeiten“, weiß Rach. Fast alle Restaurants seien gepachtet oder gemietet. „Für die Individualgastronomie ist dieser Trend ein Riesenproblem“, sagt er. Und wer hat schon so viel Mumm wie die Eisprinzessinnen. Lara bekennt, mit ihrer Mitstreiterin bei der Betriebsgründung 145.000 Euro an Investitionen aufgebracht zu haben. Unbezahlbar indes war der Moment, als Christian Rach den Eisladen nach der Eröffnung betreten und fröhlich gerufen habe: „Mädels, geht’s euch nicht gut!“

Zum Ausklang schildert Rach ein Beispiel, dass Luxus nicht alles ist. So habe er seinen Geburtstag mit Freunden vorm Imbiss Lucifer in Teufelsbrück verbracht. Die Menüfolge: Würstchen, Frikadellen, Pommes – und ein Kasten Bier. Habe fantastisch geschmeckt.