Othmarschen/Ottensen. Nach den G20-Krawallen: Anwohner und Geschäftsleute kritisieren Politiker

Drei Wochen nach den schweren Krawallen rund um den G20-Gipfel ist bei den von Vandalismus betroffenen Anwohnern und Firmen in den Elbvororten der Alltag eingekehrt. Doch während an der Roten Flora medienwirksam Friedenstauben aufsteigen, sind Ärger und Misstrauen bei Betroffenen geblieben, wie das Beispiel Elbchaussee zeigt.

Unübersehbar prangt ein großes Spruchband an der Fassade der Immobilienfirma von Wülfing. Inhaber Volker von Wülfing dankt darauf der Hamburger Polizei „für ihren unermüdlichen Einsatz“ und „einen tollen Job“. Volker von Wülfing erläutert die Aktion so: „Ohne die Polizei hätten wir wahrscheinlich mehr als nur Sachschaden gehabt, zum Glück ist unseren Mitarbeitern nichts geschehen. Ich bedaure nur, dass ich nicht daran gedacht habe, Feuerwehr und Rettungskräften gleich mit zu danken.“ Eine Einladung zu einem Gespräch mit Bürgermeister Olaf Scholz hat er, wie auch etliche Nachbarn, ausgeschlagen. Von Wülfing erklärt: „Ich finde das zwar eine anständige Geste, sehe aber keinen Sinn in einem solchen Gespräch.“

Von Wülfings Aktion mit dem Spruchband mag gut gemeint sein, doch nicht jeder vor Ort teilt die Ansicht, dass die Polizei „einen tollen Job“ gemacht hat. Auf einige wirkt das Spruchband wie Ironie. „Das hat doch jeder mitbekommen, dass die Polizei hier an dem Krawallmorgen nicht vor Ort war“, sagt eine Anwohnerin, die ihren Namen nicht nennen möchte. „Erst wurden hier Autos angezündet und Scheiben eingeworfen, und dann dauerte es ewig, bis die Polizei vor Ort aufkreuzte.“

Olaf Scholz hätte zu den Bürgern gehen müssen

Auch Evelyn (Evi) Subbert von der beliebten Kultkneipe „Zum Seeteufel“ sagt: „Dieses Plakat ist hier umstritten.“ Bei ihrem urigen Lokal wurden während der Krawalle fast alle Scheiben zerstört, jetzt kritisiert Subbert: „Beschützt hat uns hier keiner, aber genau das wäre die Aufgabe der Polizei gewesen.“ Deutliche Worte findet Evi Subbert auch für Bürgermeister Scholz: „Der hätte an dem Krawall-Abend nicht in die Elbphilharmonie gehen sollen, sondern bei den Bürgern bleiben müssen. Ein Helmut Schmidt hätte das getan.“ Am kommenden Donnerstag bekommt der „Seeteufel“ neue Scheiben. „Ich glaube, dass dann endlich wieder Normalität einkehrt“, so Evi Subbert, „aber das war schon eine schlimme Zeit.“

Auch Rechtsanwalt und Honorarkonsul Marcus Reinberg, durch dessen Büroscheibe ein faustgroßer, scharfkantiger Stein geschleudert wurde, ist verärgert. Aus seiner Sicht werde schon wieder „viel zu schnell zur Tagesordnung übergegangen“. Rücktritte habe es nicht gegeben, da sich offenbar niemand verantwortlich fühle. Vorwürfe an die Polizei zielten laut Reinberg aus seiner Sicht ins Leere. „Wenn überhaupt, muss die Kritik an die Polizeiführung gehen.“ Private Sicherheitsdienste seien viel entschlossener gegen die Marodierenden vorgegangen, so Reinberg, da gebe es offenbar „ein grundsätzliches Problem“. Reinberg sagt nachdenklich: „Wenn ich hier in Akten oder Büchern blättere, finde ich gelegentlich immer noch Glasscherben zwischen den Seiten. Aber das sind Erinnerungen, auf die ich gerne verzichten kann.“