Im Drama „Paradies“ erzählt der russische Altmeister Andrei Konchalovsky von drei Schicksalen im Zweiten Weltkrieg

Keine der Figuren, die Andrei Konchalovsky ins Zentrum seines Faschismus-Films „Paradies“ stellt, wirkt auf Anhieb sympathisch. Der Franzose Jules (Christian Duquesne) ist Familienvater und Polizist, der Waldspaziergänge liebt, aber auch ein Kollaborateur, der dafür verantwortlich ist, Widerständler und Juden ins Konzentrationslager zu schicken. Die Russin Olga (Julia Vysotskaya) ist eines seiner Opfer. Wenn sie ihm im Verhör gegenübersitzt, sieht man ihr in jeder Bewegung die adlige Erziehung an. Dass sie auf Seiten der Résistance kämpft, weist sie als „weiße“ Emigrantin aus, als Spross jener Oberschicht, die in den 20er-Jahren vor der russischen Revolution floh. Mit Überlebensinstinkt beginnt sie mit Jules zu flirten.

Doch kurz darauf erwischt ihn die Résistance auf einem seiner Waldspaziergänge, er stirbt einen einsamen, kläglichen Tod. Olga landet im KZ. Der gebildete, überzeugte Nazi Helmut (Christian Clauß) erkennt in Olga die Frau wieder, mit der er einst auf einer Italienreise in traumhaften Vorkriegsjahren flirtete. Sein erotischer Impuls beginnt seine hehren Überzeugungen zu untergraben.

Fragmentarisch erzählt Konchalov­sky von diesen Dingen; die einzelnen Erzählstränge sind unterbrochene Verhör­szenen, in denen die drei Figuren abwechselnd einem unsichtbar bleibenden Gegenüber schildern, was ihnen zugestoßen ist. Die Punkte, die der russische Regisseur über menschliche Abgründe und die Unmenschlichkeit des Faschismus offenbart, sind nicht neu. Aber wo andere Filmemacher auf den Mitleids- und Mitfühlfaktor setzen, verlässt sich der 80-jährige Altmeister ganz auf sein Inszenierungshandwerk: Von der strengen Rahmung über die Länge der Einstellungen bis zu ihrer Ausleuchtung geht von jeder Szene etwas Zwingendes aus, das den Zuschauer unfähig macht wegzuschauen.

„Paradies“ RUS/D 2016, 132 Min., ab 12 J.,
R: Andrei Konchalovsky, D: Julia Vysotskaya, Christian Clauß, täglich im 3001 (OmU);
www.paradies-derfilm.de