Die Actionkomödie „Baby Driver“ feiert schonungslos und äußerst unterhaltsam das Leben auf der Überholspur

Im Schwäbischen und in der angloamerikanischen Medienproduktion gibt es eine mehr oder weniger ausgeprägte Tradition der Verniedlichung. Während die einen dies damit zum Ausdruck bringen, allem Möglichen die Endsilbe „-le“ anzuhängen, duplizieren die anderen Bands, Serien oder Comichelden immer wieder als kindliche Miniatur. So geschehen etwa in der TV-Serie „Muppet Babies“ oder zuletzt im „Lego Batman Movie“. Der auf ironische Genre-Adaptionen spezialisierte Regisseur Edgar Wright („Shaun Of The Dead“) hat nun gewissermaßen Ryan Goslings weltentrückten Helden aus dem Thriller „Drive“ neu aufgelegt, als „Driverle“, wie ein Schwabe sagen würde, als „Baby Driver“, gemäß dem Titel. Es geht erneut um einen genialischen Autofahrer, der sein Können in den Dienst des Verbrechens stellt. Seine Einsätze als Fluchtfahrer erledigt er mit verspielter Virtuosität, hoch professionell und so cool wie ein in Meditation versunkener Mönch. Erst durch eine sich anbahnende Liebesbeziehung entwickelt er Skrupel, erwägt seinen Ausstieg. Während Ryan Gosling in „Drive“ namenlos blieb und die Aura eines melancholischen Cowboys kultivierte, trägt der von Ansel Elgort gespielte Driver seinen Namen „Baby“ wie eine Auszeichnung.

Er mag Anfang 20 sein, doch seine weichen Züge lassen ihn zwischen all seinen verhärmten Gangsterkollegen wirklich wie ein unschuldiges Kind wirken. Statt eines Schnullers im Mund hat er Kopfhörer in den Ohren, beschallt sich pausenlos mit Musik, vor allem Bluesrock, der ihn ruhigstellt und seinen Tinnitus übertönt, der ihn begleitet, seit er als Kind einen Autounfall hatte und dabei seine Eltern verlor.

Deborah und Baby erkennen sich an ihrer gemeinsamen Liebe zur Musik

Irgendwann hat ihn Gangsterboss Doc (Kevin Spacey) adoptiert und setzt ihn seither als Fahrer bei allen möglichen Einbrüchen und Überfällen ein. Spacey grundiert seinen väterlichen, manchmal süffisanten Stolz mit brutaler Kälte, während Elgort Babys Haltung als folgsamer Sohn nach und nach feine Anzeichen einer kommenden Rebellion beimischt.

Die in wechselnden Teams beteiligten Gangster unterschätzen Baby zunächst. Nur der ungehobelte Bats (Jamie Foxx ) versucht ständig, den mehr als 30 Jahre Jüngeren aus der Reserve zu locken. Wenn Baby hinter seiner Sonnenbrille abtaucht und lautlos mit den Fingern auf dem Tisch irgendwelche Melodien nachspielt, dann möchte Bats ihm am liebsten eine reinhauen.

Bleibt noch Deborah (Lily James), mit dem langen Haar und den üppigen Wimpern. Sie arbeitet als Kellnerin in einem durchschnittlichen Diner. Baby und sie erkennen sich an ihrer gemeinsamen Liebe zur Musik – auch wenn sie sich nicht ganz einigen können, ob „Debora“ der 70er-Jahre-Kultband T. Rex oder Becks „Debra“ aus den späten 90er-Jahren eher zu ihr passt.

Wer für solch wunderbar verschwenderische Dialoge im Geist von Quentin Tarantino und der Nouvelle Vague nicht so recht Geduld aufbringen mag, muss nie allzu lang auf die nächste große Actionszene, auf das nächste Feuerwaffenduell warten.

„Baby Driver“ ist in erster Linie ein furioser Genrefilm, der sich zu „Drive“ verhält wie ein Kindergeburtstag zu einem Poker-Abend. Während dort das Brummen der Motoren, die Stille der Nacht und die emotionslosen Durchsagen des abgehörten Polizeifunks Ryan Goslings Fahrkünste begleiteten, wird „Baby Driver“ vom Beat seines energiegeladenen Soundtracks angetrieben und zur schonungslosen Feier eines Lebens auf der Überholspur.

„Baby Driver“ GB/USA 2017, 112 Min., ab 16 J.,R: Edgar Wright, D: Ansel Elgort, Kevin Spacey,
Lily James, täglich im Abaton (OmU), Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Koralle (OmU) , Savoy (OF), Studio, (OmU) UCI Mundsburg/Othmarschen/Wandsbek, Zeise; www.babydriver-film.de