Berlin/Pforzheim.

Vor einem Jahr noch feierten sie gemeinsam – Hotelier und Küchenchef, Kollegen, Honoratioren, ehemalige Schüler. Zum sogenannten Herdjubiläum scharten sie sich im Hotel Traube Tonbach in Baiersbronn um Spitzenkoch Harald Wohlfahrt. Seit 40 Jahren stand er da in der Küche, davon 36 als Küchenchef im durch ihn weltberühmt gewordenen Restaurant „Schwarzwaldstube“. Seit 1992 hält er drei Sterne des Guide Michelin. Nicht nur das ist Rekord. Zahlreiche seiner ehemaligen Schüler glänzen heute selbst mit Sternen. Eine Kochkarriere der Extraklasse. Umso verstörender war für die Gourmets weltweit die Nachricht dieses Sommers, dass der heute 61-jährige Spitzenkoch beim Arbeitsgericht gegen seinen Arbeitgeber vorgeht. Der hatte ihm zuvor verboten, die Küche zu betreten. Die anscheinend perfekte Symbiose zwischen der Hotelierfamilie Finkbeiner und ihrem Aushängeschild schien vorbei.

Dabei hatte alles nach einem sanften Wechsel zur nächsten Generation in der Küche ausgesehen. Die Übergabe an den von Wohlfahrt ausgebildeten Torsten Michel war längst angekündigt. Noch im Mai, zum Zeitpunkt der Übergabe, sprach das Hotel von einer „wohlverdienten Auszeit“, die sich der Meister nun nehme. Ansonsten bliebe er dem Hotel erhalten, nur eben mit neuen Aufgaben.

Worin diese Aufgaben bestehen sollten, über diese Frage entzweite man sich dann offenbar. Neue Berufsbezeichnung war „kulinarischer Direktor“. „Kulinarischer Sessel-Direktor ohne Herdzugang“ nannten es Wohlfahrts Anwälte gegenüber dem SWR. Man habe sich keineswegs vorher über die Gestaltung des neuen Aufgabenbereichs geeinigt. Auf der Gegenseite klang dies anders: Wohlfahrt habe es nicht lassen können, sich weiter als Küchenchef aufzuspielen, sagten die Anwälte des Hotels dem Sender. Deshalb habe man ihm das Betreten des Restaurants verbieten müssen.

Nach 40 Jahren legendär erfolgreicher Zusammenarbeit. „Ich finde es jammerschade, wie das jetzt zerredet wird“, sagt Thomas Bühner, selbst Drei-Sterne-Koch, am Dienstag dieser Redaktion. Bühner, der das Restaurant „La Vie“ in Osnabrück berühmt gemacht hat, hat bei Wohlfahrt gelernt. „Einer der besten Lehrmeister, die man haben kann“, sagt er. Und ein Vorbild – sowohl, was das Kochen anbelange, als auch das Menschliche, seine Art, mit Mitarbeitern umzugehen. „Schon auch hart, aber gerecht.“ Bühner gehörte zu den Gästen der Jubiläumsfeier, wo er mit anderen Sterne-Köchen aus der Wohlfahrt-Kaderschmiede für den Jubilar kochte. „Wir haben das würdig gefeiert. 40 Jahre, wo gibt’s das schon sonst?“ Von möglichen Unstimmigkeiten habe er nichts wahrgenommen.

Er war es gewohnt, gefeiert zu werden

Vielleicht war da auch nichts wahrzunehmen. Noch war ja alles beim Alten in der „Schwarzwaldstube“. Der Chef war noch der Chef, er hatte die Rolle, die sein Leben bestimmte und seine Persönlichkeit formte. Noch gab es nichts loszulassen. Stattdessen wurde er, wurde sein Lebenswerk gefeiert.

Wohlfahrt ist es gewohnt, gepriesen zu werden. Das beste Restaurant Deutschlands, eins der besten weltweit, urteilte einst die „New York Times“, deren Kritikerin beim Essen eines Wohlfahrt-Fischgerichts das Gefühl hatte, ganz Deutschland in ein paar wohlschmeckenden Bissen serviert zu bekommen. Den „Obersten“ der deutschen Köche nannte die Zeitung ihn noch 2013. Auf der Webseite des Hotels Traube ist Wohlfahrts Bild ganz oben auf der Liste „Beispielhafte Karrieren“ zu sehen. Das kann als Tatsache gelten, Streit hin oder her.

Apropos Streit: „Was ich am Essen ja so gerne mag, ist, dass man sich zusammensetzt und redet“, sagt Wohlfahrt-Schüler Bühner. „Das hätten die vielleicht auch mal machen sollen.“ Und vielleicht haben sie das nun getan. Am Dienstag teilte das Arbeitsgericht Pforzheim mit, dass die beiden Parteien sich geeinigt haben. Die Einigung sei einvernehmlich, erklärte der Anwalt des Hotels. Über Details wurde Stillschweigen vereinbart. Klar ist: Wohlfahrt kehrt nicht zurück in die „Schwarzwaldstube“. Aber das Hausverbot ist aufgehoben. Alle Beteiligten gaben sich sehr erleichtert. Was wird der Sternekoch nun machen? „Die Zukunft wird es weisen“, sagte Wohlfahrt am Abend der dpa. Das Angebot seitens des Hotels an ihn, als „kulinarischer Direktor“ zu wirken, stehe weiterhin.