Athen.

Es sollte ein unbeschwerter, ausgelassener Abend werden, in der beliebten Bar „White Corner“ in der Altstadt von Kos. Doch für zwei Urlauber auf der griechischen Insel wurde das Eckhaus zur Todesfalle. Als in der Nacht zum Freitag um 1.31 Uhr ein schweres Erdbeben die Mauern des ersten Stocks zum Einsturz brachte, wurden sie von herabstürzenden Trümmern erschlagen. Die Opfer: ein 27-jähriger schwedischer und ein 39 Jahre alter türkischer Tourist. Die Bars und Cafés der Altstadt waren voller Menschen, als das Erdbeben über die Ferieninsel hereinbrach – ein Wunder, dass es nicht mehr Todesopfer gab.

Nach inoffiziellen Angaben wurden etwa 120 Menschen verletzt. Ob darunter auch deutsche Urlauber sind, war zunächst unklar. Auf Kos halten sich derzeit geschätzt mehr als 10.000 deutsche Urlauber auf. Allein der größte deutsche Reiseveranstalter TUI hat dort aktuell 6400 Gäste. Das Unternehmen hat einen Krisenstab gebildet. 95 Leichtverletzte meldeten sich selbst im Krankenhaus, von ihnen konnten 85 nach ambulanter Behandlung die Klinik wieder verlassen. Mindestens sieben Menschen schwebten noch in Lebensgefahr, berichteten griechische Medien.

Nach Berechnungen der Athener Erdbebenwarte und des Helmholtz-Zentrums in Potsdam erreichte das Beben eine Stärke von 6,6. Nach dem ersten schweren Erdstoß erschütterten immer wieder Nachbeben die Insel.

Einzelne Hotels sind nicht mehr sicher

Auf den Straßen von Kos herrschte in der Nacht Chaos: Viele Touristen, die keine Erdbeben kennen, hätten nicht gewusst was los war, sagten Anwohner. Die Touristin Deborah Kinnear postete ein Foto, das den Sonnenaufgang und schlafende Gäste in den Grünanlagen eines Hotels zeigt. Die Bildunterschrift: „Die Ruhe nach dem Sturm“. Und die Gefahr ist noch nicht vorbei: „Wir erwarten in absehbarer Zeit weitere Nachbeben“, sagte Efthymios Lekkas, Chef der staatlichen Erdbebenbehörde OASP.

Der Bürgermeister von Kos, Giorgos Kyritsis, sagte: „Größere Schäden gab es vor allem an Gebäuden, die vor 1930 errichtet wurden.“ Zwei Kirchen und das Minarett einer Moschee in der Altstadt wurden schwer beschädigt. Auch Mauern einer Johanniterfestung aus dem 14. Jahrhundert stürzten teilweise ein. Schwere Schäden verursachte das Beben auch am Hafen von Kos, der von einer 60 Zentimeter hohen Tsunamiwelle getroffen wurde. Teile der Kaimauern senkten sich ab. Größere Schiffe können dort zunächst nicht anlegen. Jetzt laufen die Autofähren aus Piräus die Nachbarinseln Nisyros und Kalymnos an. Von dort werden die Passagiere mit kleineren Booten nach Kos gebracht.

Laut Deutschem Reiseverband werden vereinzelt Hotels als nicht mehr sicher eingestuft: Die Reiseveranstalter brächten Urlauber bei Bedarf in anderen Hotels unter, erklärte der DRV. Die griechischen Behörden reagierten rasch. Gegen vier Uhr früh flog eine elfköpfige Regierungsdelegation aus Athen nach Kos, um die Rettungsarbeiten zu koordinieren. Mit ihr trafen Rettungsmannschaften und Suchhunde auf Kos ein. Noch in der Nacht wurden mehrere Rettungshubschrauber auf die Insel verlegt. Sie flogen Verletzte in Krankenhäuser nach Rhodos und Athen.

„Es war eine schwierige Nacht, aber wir haben sie überstanden, und allmählich kehrt die Insel zur Normalität zurück“, sagte Bürgermeister Kyritsis. „Unsere Infrastruktur hat standgehalten, der Flughafen arbeitet normal und wir begrüßen unsere Gäste.“ Der Flugbetrieb wurde nach dem Erdbeben für kurze Zeit eingestellt, läuft aber seit dem Freitagmorgen wieder. Es gebe nur leichte Sachschäden, es könne jedoch zu leichten Verspätungen kommen, teilte der Flughafenbetreiber Fraport mit.

Auch das türkische Festland um die Stadt Bodrum bekam das Beben zu spüren. Todesopfer gab es dort nach offiziellen Angaben aber nicht. Die Behörden riefen die Bevölkerung aber zur Wachsamkeit auf. Die Europäische Union bot Griechenland und der Türkei umfassende Unterstützung an. „Die EU steht uneingeschränkt bereit zu helfen“, teilte Krisenmanagementkommissar Christos Stylianides mit.

Dass die Erde bebt, ist auf den Inseln der Ostägäis keine Seltenheit. Die Region liegt an den Rändern der eurasischen und afrikanischen Kontinentalplatten. Aber dieses Beben war das heftigste, das Kos seit Jahrzehnten erlebte.