Bernd Litti ist Autor und Mentalcoach. Er erklärt, was man auf einem Turnier von den Profis abgucken kann

Sein Bestseller „Dein Handicap ist nur im Kopf“ wird gerade in der zehnten Auflage verlegt, sein Kompakt-Ratgeber „Kurzer Weg zum guten Golf“ ist frisch auf dem Markt. Golf-Experte Bernd Litti (65) hilft seit Jahrzehnten Firmenmanagern auf Seminaren und Trainingsrunden aus der mentalen Krise. Aber auch Sportler und Prominente aus dem Showgeschäft suchen seinen Rat. Ein Gespräch über seinen „Titelsponsor“ Howard Carpendale, das Abguckpotenzial bei Profis und den schwierigen Spagat zwischen Ergebnis und Genuss.

Hamburger Abendblatt: Herr Litti, stimmt es, dass der Kultsänger und Hobbygolfer Howard Carpendale einen nicht unerheblichen Anteil am Erfolg Ihres Buches hat?

Bernd Litti: Ursprünglich sollte es „Golf mental“ heißen. Howie, mit dem ich seit Jahrzehnten befreundet bin, fand das langweilig, machte einen genialen Gegenvorschlag – den wir auch sofort angenommen haben. Heute ärgert er sich, dass er nicht an den Einnahmen beteiligt ist. Wir gehen trotzdem gemeinsam auf die Runde ...

Sie haben mit vielen Golfprofis gespielt, gesprochen und Erkenntnisse gesammelt. Kann ich mir beispielsweise etwas abschauen, wenn ich bei einem Turnier als Zuschauer mitgehe?

Auf jeden Fall. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass ich auch das Spiel meiner Flightpartner beim Monatsbecher im Clubturnier beobachten soll.

Wenn die aber gut spielen ...?

Das Unterbewusstsein merkt sich leider auch die schlechten Dinge. Deshalb ist es besser, sich anzugewöhnen, immer wegzugucken. Sonst ist die Gefahr groß, dass ich etwas übernehme, das ich besser nicht übernehmen sollte. Schaue ich einem Hacker zu, ist es nicht unwahrscheinlich, dass ich selbst anfange zu hacken.

Dann ist es nicht Arroganz, wenn sich Profis abwenden, sobald der Flightpartner schlägt?

Jeder Profi weiß, dass er gut daran tut, den Kollegen nicht bei der Arbeit zu beobachten, weil sich sonst der fremde Rhythmus im Hinterkopf festsetzt. Wichtiger ist es, die eigene Routine einzuhalten.

Warum ist das wichtig?

Die Stichworte sind Wiederholbarkeit und daraus folgend Sicherheit. Ein Beispiel: Als Nick Faldo 1987 die British Open gewann, wurde gemessen, dass er in jeder Sekunde bei jedem Schlag die gleiche Routine abrufen konnte. Er ließ sich von nichts und niemandem vom eigenen Spielrhythmus ablenken. Ich habe auch viel mit Willi Hofmann, seit 44 Jahren Coach von Major-sieger Bernhard Langer, zu tun. Er sagt, die Konsequenz, mit der Langer an seiner Routine festhält, ist der Grund, warum er der derzeit beste Spieler auf der Senior Tour ist.

Kann man das auch als Hobbygolfer lernen?

Ja. Man muss verinnerlichen, dass man, egal, was passiert, am eigenen Schwungrhythmus festhält. Wir Amateure spielen ja so: Die ersten Löcher sind wir konzentriert, versuchen unseren Rundenplan, so wir einen haben, einzuhalten. Dann passiert irgendetwas, und schon sind alle guten Vorsätze weg. Wir dreschen auf den Ball, verändern die Bewegung, weil wir glauben, dadurch etwas besser zu machen. Das Gegenteil ist der Fall. Profis unterdrücken diesen sogenannten Hit-Reflex. Das kann man auch als Hobbygolfer lernen.

Haben Sie dazu Praxis-Tipps?

Es geht schon auf der Driving Range los. Die meisten Golfer schnappen sich einen Eimer mit Bällen und schlagen los. Das hilft nicht weiter, wenn man sein Niveau halten oder sogar verbessern möchte. Stattdessen sollte man sich wechselnde Ziele suchen und dann Ball für Ball versuchen, diese Ziele möglichst optimal zu erreichen. Dabei gilt es, sein bewährtes Schlagmuster beizubehalten. Das ist modernes Training, orientiert an der Praxis einer Runde oder anders formuliert: Prozesstraining.

Vom fünfmaligen Majorsieger Phil Mickelson weiß man, dass der 100 Bälle mit aufs Grün nahm und so lange Putten übte, bis jeder Ball im Loch war. Falsch?

Heute ja, auch wenn seine Erfolge eine andere Sprache sprechen. Nach modernen Erkenntnissen ist diese Art des Übens durch Quälen out.

Angenommen, ich habe eine Routine. Wie behalte ich sie auch in Stresssituationen bei?

Indem man sich Entschlossenheit und Resilienz, also Widerstandsfähigkeit gegen Krisen, antrainiert. Dazu kann man sich zwei Boxen vorstellen, getrennt durch eine Mittellinie. In der Box vor der Linie plane ich meinen Schlag. Was ist mein Ziel? Welchen Schläger nehme ich? Wie weit hole ich aus? Überschreite ich die Linie, muss die Entscheidung gefallen sein. Ich verändere nichts mehr, führe aus, was ich mir vorgenommen habe. Das ist Konsequenz.

Und wenn ich doch plötzlich zweifle?

Dann muss man zwingend wieder in die Box vor dem Ball zurückgehen. Und noch einmal von vorn anfangen. Golf ist ein lageorientiertes Spiel. Das bedeutet, man muss lernen, keine Freiräume zuzulassen, die Ablenkung ermöglichen. Auch das kann man bei den Profis abgucken. Wenn die zweifeln, auch beim Putten, dann gehen sie raus aus ihrer Routine und starten neu.

Was muss ich noch beachten, um eine gute Runde zu spielen?

Der letzte Blick vor dem Schlag sollte niemals dem Hindernis gelten, das man umgehen möchte. Man spielt garantiert dorthin. Also immer den Fokus aufs Ziel richten.

Sie haben ein einstelliges Handicap, also alles richtig gemacht?

Ich habe gerade eine Phase, in der ich rauswill aus unserem Bewertungskult. Ich habe irgendwann festgestellt, dass ich mein Golfspiel nicht mehr genießen kann, weil ich nur noch auf die Anzahl meiner Schläge fokussiert bin. Deshalb versuche ich loszulassen und mich weg vom Ergebnisgolfer hin zum Genussgolfer zu entwickeln.

Und? Sind Sie erfolgreich?

Ich arbeite daran.