Auf dem Nord Course des Golfclubs stoßen sogar die Topgolfer an ihre Grenzen. Für Michael Blesch und Ralf Lühmann geht mit dem Turnier eine Vision in Erfüllung

evor Michael Blesch 2007 den Rasensamen für den ersehnten neuen Nord Course ausstreuen konnte, gab es noch etwas zu erledigen. Er und seine Mitarbeiter gruben Kunststoffprofile an allen Rändern der Spielbahnen ein, damit sich die zwei Grassorten nicht miteinander mischen konnten. Auf den Fairways breitete sich fortan ein Ableger des Straußgrases (Agrostis capillaris) aus, im höheren Semirough das deutlich dunklere Grün des Rohrschwingels (Festuca arundinacea).

Blesch und Mitbesitzer Ralf Lühmann (beide 46) sitzen auf der Holzterrasse vor dem Clubhaus des Winsener Golfclubs Green Eagle und erinnern sich fast nebenbei an dieses kleine, aber bedeutsame Detail. Schließlich war beiden von Anfang an klar, dass auf dem Nord Course einmal große Turniere stattfinden sollen. Und für schöne, eindrucksvolle Fernsehaufnahmen braucht es eben farbliche Abstufungen: die Wasserspiegelungen, das strahlende Weiß der Bunker, die mit gebrochenem, hellen Stein gefüllt sind. Abgeguckt vom früheren Ryder-Cup-Platz im spanischen Valderrama, wo gebrochener Marmor statt simpler Sand benutzt wird. Und eben verschiedene Grüntöne.

Blesch und Lühmann bauten den Golfclub Green Eagle ohne Eigenkapital auf

Seit Wochen fiebern Blesch und Lühmann auf den Start der Porsche European Open hin. Mit den ersten Abschlägen der internationalen Golfstars strebt eine fast märchenhaft anmutende Geschichte ihrem Happy End zu, die 1997 begann.

Lühmann erzählt die Story in Kurzform: „Wir stammen beide aus St. Dionys in der Region Lüneburg. Wir kannten uns aus gemeinsamen Schulzeiten, unsere Geburtstage liegen nur einen Tag auseinander. Michael arbeitete damals in Escheburg als Golflehrer, ich studierte Bauingenieur. Michael wollte mehr als nur seinen Job machen. Und als wir uns unterhielten, wuchs der Wunsch, selbst einen Golfplatz zu entwickeln und zu bauen.“ Das klitzekleine Problem dabei: Eigenes Geld war so gut wie nicht vorhanden.

Im Rahmen von Lühmanns Studienarbeit „Wirtschaftlichkeitsprüfung einer Golfanlage“ kamen die Unternehmer in spe in der Analyse diverser Faktoren wie Einzugsgebietsanalyse, Fahrzeiten, Kaufkraft etc. schnell zu der Erkenntnis: Das würde sich rechnen! In Rekordzeit wurde der Plan Realität. Über Existenzgründer-darlehen in maximaler Höhe kamen zwei Millionen D-Mark in die Kasse, eine Bank übernahm einen Teil der Finanzierung, private Investoren schlossen Lücken.

Da auch die Bauern die Pläne befürworteten, konnten insgesamt 28 Pachtverträge abgeschlossen werden – und nach nur zwei Jahren Planungsphase lag die Baugenehmigung vor. Dazu kam das Interesse der Golfspieler an einem Platz ohne früher noch übliche teure Aufnahmegebühren und monatliche Mitgliedsbeiträge: „Wir hatten vor dem ersten Spatenstich schon 400 Mitglieder“, sagt Lühmann. 300D-Mark zahlte jeder für einen Platz, der zu diesem Zeitpunkt nur im Kopf existierte. 1999 konnten die Driving Range (mit 200 Abschlägen die größte im Norden) und die ersten neun Bahnen des Südplatzes eröffnet werden, 2000 war der erste 18-Loch-Platz fertig. 2006 kam ein öffentlicher Sechs-Loch-Platz (kann ohne Mitgliedschaft gespielt werden) dazu. Heute zählt der Club 1400 Mitglieder, die sich auf dem 186 Hektar großen Gelände tummeln.

Aber das große Golf, die internationalen Topspieler, wollten Blesch und Lühmann mit dem 2008 eröffneten Nord Course anlocken, der mit seiner Länge von 7161 Metern vom Champions-Tee (dem hinteren Abschlag) der längste Platz der European Tour ist und zu den zehn längsten Plätzen weltweit gehört. Bahn 16, ein Par 5, hat eine Länge von 645 Metern, die selbst gute Spieler vor eine Herausforderung stellt – Amateurspieler sowieso.

Der Nord Course ist der schwerste Platz in ganz Deutschland

Laut dem Course-Rating des Deutschen Golfverbands ist der Nord Course vom Champions Tee der schwerste Platz Deutschlands. „Spieler mit einem niedrigen einstelligen Handicap neigen häufig zum Profi-Abschlag, weil sie dort eine höhere Spielvorgabe für die Nettowertung bekommen“, sagt Lühmann. „Ich warne sie dann immer vor: Ihr müsst wirklich einen langen Ball spielen können.“ Aber auch vom zweitlängsten Abschlag Gelb ist der Platz mit 6633 Metern immer noch länger als die meisten deutschen Plätze. Kein Wunder, dass US-Rockstar Alice Cooper („Schools Out“), der leidenschaftlich gerne Golf spielt, den Platz nach einer Runde als „grünes Monster“ bezeichnet.

Einen Platz zu bauen heißt aber nicht, ihn danach einfach nur zu pflegen. „Jeder Platz, der sich nicht weiterentwickelt, bleibt stehen“, glaubt Blesch, der sich ums Greenkeeping kümmert, während sein Kompagnon Lühmann der Mann fürs Büro, für die Verwaltung ist. Seit 2009 sammelten die Betreiber mit dem Ausrichten von hochkarätigen internationalen Turnieren wie der European Challenge Tour Erfahrungen, jedes Jahr wurde versucht, das Niveau anzuheben. Auch 2016 wurden sechs von 18 Grüns im Hinblick auf das jetzt anstehende Turnier modifiziert.

Jede Bahn hat einen eigenen Namen, ob „Big Easy“ (Bahn 14), „Boom Boom (Bahn 16) oder „Wild Thing“ (Bahn 4). Wie die Profis dieses umgestaltete Par 5 bewältigen, darauf sind Blesch und Lühmann besonders gespannt. Angesprochen auf ihre Lieblingsbahn, nennen beide die 4 und die 17. Mit 155 Metern ist die vorletzte Bahn über das Wasser eigentlich nicht besonders lang, aber dennoch tückisch. „Vom Birdie bis zur Katastrophe ist hier alles möglich“, so Lühmann.

Im Clubhaus wird eigens für den Club gebrautes „Swing Oil“ ausgeschenkt

„Es gab kein Jahr, in dem wir nicht gebaut haben“, erinnert sich Blesch. Alleine in den vergangenen zwölf Monaten kam ein sechsstelliger Betrag an Investitionskosten zusammen. „Was wir verdient haben, steckten wir immer in die Anlage“, nennt Lühmann das Unternehmenscredo. Da heißt es auch mal, sich in Geduld zu üben. „Wären wir Multimillionäre, würde hier schon ein Hotel stehen. Aber lang­sames Wachstum ist der gesündere Weg.“ Blesch betont den hohen Zeitaufwand: „Für Geld macht man das hier nicht, das ist zu 90 Prozent Liebhaberei.“

Die Betreiber legen Wert auf Natur und Nachhaltigkeit. Sie garantieren, dass im Clubhaus überwiegend Speisen serviert werden, die aus naturnaher und regionaler Tierhaltung stammen. Die Brauerei Bleckede liefert für die Anlage das „Swing Oil“ getaufte Bier. Natürlich auch geschicktes Marketing, aber mit Hintergrund.

Grenzen nach oben scheint es für Blesch und Lühmann nicht zu geben. Zweimal warfen sie bereits ihren Hut für eine deutsche Ryder-Cup-Bewerbung ins Rennen. Genauso bewarben Sie sich als Austragungsort für Olympische Spiele in Hamburg. Während sich das Thema Olympia bekanntlich längst erledigt hat, wäre Green Eagle beim nächsten Versuch, den berühmten Kontinentalwettbewerb zwischen den USA und Europa auszurichten, sofort wieder dabei.

Zunächst aber gilt es, mit den Porsche European Open den nächsten Schritt zu gehen. „Ich wünsche mir, dass wir das Turnier dauerhaft hier etablieren können“, hofft Blesch. „Bis zur Rente habe ich noch 20 Jahre, solange soll es bitte schön auch hier stattfinden.“

Gemäß dem Credo Bleschs („Ich hasse schlechte Golfplätze. Und ich liebe gute Golfplätze“) haben er, die 15 Greenkeeper mithilfe der 25 Mähmaschinen alles gegeben, dass sich das grüne Monster in einem Topzustand präsentiert. „Jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen“, weist Blesch auf die einzige Variable hin, die er nicht beeinflussen kann. „Wenn das klappt, wird der Platz herausstechen.“ Und die Fernsehkameras bekommen ihre Bilder.