Berlin. Reisehinweise verschärft. Wirtschaftsbeziehungen auf dem Prüfstand. Maßnahmen mit Merkel abgestimmt

Nach monatelangen Appellen zur Mäßigung hat die Bundesregierung der türkischen Regierung und Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ein klares Stoppsignal gesetzt – mit möglicherweise gravierenden Folgen für Tourismus und Wirtschaft.

Als Reaktion auf die Verhaftung des Menschenrechtlers Peter Steudtner und anderer Deutscher verschärfte das Auswärtige Amt am Donnerstag seine Reisehinweise für das beliebte Urlaubsland. Allen Türkei-Reisenden werde zu „erhöhter Vorsicht“ geraten, sagte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) gestern in Berlin. „Der Fall Peter Steudtner zeigt, dass deutsche Staatsbürger in der Türkei vor willkürlichen Verhaftungen nicht mehr sicher sind.“ Wer ausländische Besucher unter „hanebüchenen Beschuldigungen festnimmt und in Untersuchungshaft verbringen lässt, der verlässt den Boden europäischer Werte“.

Zudem stellt Deutschland die staatliche Absicherung von Türkei-Geschäften seiner Wirtschaft durch Hermes-Bürgschaften auf den Prüfstand. Investitionskredite und Wirtschaftshilfen müssten ebenso wie EU-Vorbeitrittshilfen überdacht werden, sagte Gabriel. Alle Schritte seien mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Martin Schulz abgestimmt. CSU-Chef Horst Seehofer sagte, auch er sei von Gabriel informiert worden und trage die Maßnahmen mit. „Aber ich halte noch mehr für notwendig.“

Ein Regierungssprecher in Ankara kritisierte die deutsche Neuausrichtung der Türkei-Politik scharf. Die feindselige Einstellung gegenüber Erdogan habe in Deutschland „das Ni­veau von Verfolgungswahn“ erreicht.

Nach Angaben des Deutschen ReiseVerbands (DRV) ist noch nicht abzusehen, wie sich die verschärfte Reisewarnung auswirkt. Für die Gewährung kostenfreier Stornierungen oder Umbuchungen sehen Veranstalter bisher keinen Anlass. „Die Reisen für die Urlauber finden wie gebucht statt.“

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