„Der Hamburger Jedermann“ im Theater Speicherstadt hat erstmals eine Sensenfrau

„Jeeedermannn!“ Der Ruf des Todes wird die Titelfigur auch diesmal ereilen – obwohl die Hamburger Version von Hugo von Hofmannsthals mehr als 100 Jahre altem Mysterienspiel seit der hanseatischen Uraufführung den Zusatz „Das andere Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ trägt. Und doch wird der Ruf vom 21. Juli an etwas anders klingen, wenn der Sensenmann aus einer Luke im Speicher hoch über dem Brooksfleet brüllt.

„Der Tod wird weiblich“, sagt Autor Michael Batz, der 1994 mit dem ersten Regisseur Thomas Matschoß auf die damals fast revolutionäre Idee kam, den „Hamburger Jedermann“ als und im Theater in der Speicherstadt anzusiedeln . In der 24. Saison löst Jantje Billker Wolfgang Hartmann ab, der den Tod seit 1994 verkörpert hatte. Die Idee sei ihm bei einer Leseprobe gekommen, als Billker den Part übernahm, erläutert Batz die neue Rollenverteilung. Das soll dem Stück, im Gegensatz zum Salzburger „Jedermann“ ohnehin weniger Klassiker denn Gegenwarts- und Zukunftsdrama, neue Facetten eröffnen. „Man denke nur an den Zauber der Berührung beim Zusammentreffen von Tod und Jedermann“, meint Batz.

Mit Jantje Billker vertraut der über die Stadtgrenzen hinaus gefragte Theater- und Lichtkünstler („Blue Port“) einer Schauspielerin, die schon seit 2012 zum „Hamburger Jedermann“-Ensemble gehört – bisher als Geliebte. „Ich sage intern immer schon ,Die Tod‘“, erzählt Billker, „ich orientiere mich jetzt an der Rolle des Todesengels.“ Für sie war es anfangs seltsam zu erleben, dass jetzt jemand anderes „meinen Schmuck und meine Kleider“ trägt, sagt sie schmunzelnd.

Die Spielfläche mit Bretterbühne dient sonst nur als profaner Parkplatz

Die Rolle des schmückenden Jedermann-Beiwerks hat stattdessen erstmals Stella Roberts inne, die im Winter in Neil La Butes „Ganzkörpereinsatz“ in den Kammerspielen als vermeintlich naive blonde junge Ehefrau überzeugt hatte. Fortan wird sie an fünf Wochenenden allabendlich reifenquietschend in einer Limousine auf der Sandbrücke am Brooksfleet mit dem Jedermann vorfahren und im roten Kleid auf die Bretterbühne am Kesselhaus rauschen – einer Fläche, die sonst nur als profaner Parkplatz dient.

Es ist eine Kulisse, die – insbesondere bei Abendsonne – in Hamburg noch immer ihresgleichen sucht und das Publikum stets aufs Neue mitnimmt in die Story vom „Hamburger Jedermann“. Jene Figur, die sich die Speicherstadt unter den Nagel reißen will und dabei ihre Seele verkauft, indem sie einen Pakt mit dem Teufel schließt, füllt seit 2004 „in einer Freundlichkeit des Gnadenlosen“ (Batz) Robin Brosch aus. Gleiches gilt für Erik Schäffler als fauchender Diabolos. Der Schauspieler und Regisseur ist neben Johannes Haag, als Fleetenkieker und in weiteren Rollen zu erleben, der letzte Verbliebene aus der Urbesetzung im 14-köpfigen Ensemble. „Auf die Gesamtleistung kommt es bei uns an“, sagt Batz, „nicht darauf, dass fast jedes Jahr die Geliebte wechselt“, verteilt der Theatermacher noch eine Spitze gen Salzburg und den dortigen Hype um die Promi-Buhlschaft.

Wichtiger ist in der Hamburger Fassung das Kernthema vom Menschen in der Ökonomie, umgeben von immer mehr Technologie, hier an der Grenze zwischen dem Unesco-Weltkulturerbe Speicherstadt und der weiter wachsenden HafenCity. Batz hat das textliche Grundgerüst auch 2017 mit hanseatischen, indes auch globalen Themen aktualisiert. Außer der im Januar eröffneten Elbphilharmonie und US-Herrscher Trump will Batz sogar die „Chaos-Tage“ rund um den G20-Gipfel einfließen lassen. Der Senator, gespielt von Martin Wolf, und der Journalist (Oliver Hermann) müssten sich daher auf neue Texte einstellen, merkt Batz an.

Sie überleben den Jedermann ja schließlich auch.

„Der Hamburger Jedermann“ 21.7.–20.8., Fr, Sa/So + Do 27.7., 3. + 10.8., jeweils 20.00 (So 19.00), Theater in der Speicherstadt (Bus 6), Auf dem Sande/Brooksfleet, Karten zu 19,80 bis 57,20 unter T. 369 62 37; www.hamburger-jedermann.de