Hamburg. Harry S. soll an Erschießung von Soldaten und einem Prediger beteiligt gewesen sein. Video belastet ihn schwer

In Hamburg könnte – erstmals in Deutschland – ein Anhänger der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) wegen Mordes vor Gericht gestellt werden. Der Generalbundesanwalt legt dem Bremer Islamisten Harry S. Mord in sechs Fällen zur Last. Wann der Fall vor dem Staatsschutzsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts verhandelt wird, ist noch unklar. Harry S. sitzt wegen eines früheren Urteils in Haft.

Die Anklage wirft dem 28-Jährigen vor, im Juni 2015 auf einem Marktplatz in Palmyra (Syrien) an der Erschießung von fünf Angehörigen der syrischen Armee und einem sunnitischen Prediger beteiligt gewesen zu sein, sagte Gerichtssprecher Kai Wantzen dem Abendblatt. Ursprünglich wollte der IS die Hinrichtung in einem Propagandavideo zeigen, verzichtete aber auf die Ausstrahlung. Die blutigen Szenen wurden später der „Washington Post“ zugespielt und veröffentlicht.

Harry S. soll einem IS-Todeskommando angehört haben. Er habe die Gefangenen zunächst bewacht und einen von ihnen zum Hinrichtungsplatz geführt, so die Anklage. Dann soll er sich hinter die übrigen Gefangenen gestellt und die Schützen mit „lauten Rufen“ angefeuert haben. Die IS-Schergen schossen noch weiter, als die Männer längst tot waren. Ob Harry S. selbst Schüsse abgab, ist unklar. In einer Szene des Videos ist zu sehen, wie er eine Pistole aus dem Holster zieht und auf ein am Boden liegendes Opfer zielt. Dann tritt ein weiterer IS-Scherge ins Bild und verdeckt die Szene. Nach deutschem Recht rechtfertigt eine Mittäterschaft auch eine Mordanklage.

Bereits im Juli 2016 hatte der Hamburger Staatsschutzsenat Harry S. zu drei Jahren Haft verurteilt, aber nur wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. In diesem Prozess trat der Angeklagte wie ein Kronzeuge gegen den IS auf: Bei der Hinrichtung in Palmyra sei er nur Augenzeuge gewesen. Kurz nach dem Prozess tauchte das belastende Video auf, und der Generalbundesanwalt ermittelte erneut.

Felix Deutscher, Verteidiger von Harry S., bestätigte dem Abendblatt, dass die Anklage zugestellt wurde. Zu den Vorwürfen gegen seinen Mandanten wollte er sich aktuell nicht äußern.

Seite 15 Das belastende Video