Berlin.

In Deutschland fehlen schon heute Menschen, die in der Altenpflege arbeiten. Bis zum Jahr 2030 soll sich die Lücke enorm vergrößern – laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung auf 500.000 Vollzeitkräfte bei dann mehr als 3,4 Millionen Pflegebedürftigen. „In einigen ländlichen Regionen haben Verbraucher schon heute große Probleme, eine umfassende, ambulante Versorgung zu organisieren“, sagt Catharina Hansen, Pflegeexpertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Sie spricht von einem Dilemma: Die pflegebedürftige Mutter zum Beispiel wünsche sich, so lange wie möglich im vertrauten Umfeld zu bleiben. Und die Angehörigen versuchten, diesen Wunsch zu erfüllen, stießen dabei aber schnell an Grenzen.

Doch die Not der einen ist das Geschäftsmodell der anderen: Pflegehilfskräfte aus dem Ausland werden in Deutschland immer stärker nachgefragt. Laut einer Untersuchung im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung arbeiten und leben schon heute vornehmlich Frauen aus Polen, Bulgarien, Rumänien oder Kroatien in 163.000 Privathaushalten. Andere Schätzungen gehen sogar von 200.000 bis 300.000 aus. „Der Markt boomt“, bilanzierte Stiftung Warentest im Mai nach einem Marktcheck. Seit 2009 sei die Zahl der Agenturen, die ausländische Pflegehelfer vermitteln, um über 300 Prozent gestiegen – von etwa 60 auf mehr als 260.

Falsche Versprechen von der24-Stunden-Betreuung

Die Agenturen werben dabei mit großen Worten: 24-Stunden- oder Rund-um-die-Uhr-Betreuung. „Das trifft natürlich die Bedürfnisse der Angehörigen. Die Nachfrage ist riesig“, sagt Catharina Hansen. Sie schränkt aber ein, dass die Versprechen illusorisch und von den gesetzlichen Bestimmungen her gar nicht umsetzbar seien: „So unkompliziert, wie die Verbraucher es gern hätten, ist es meist nicht.“ Sie müssten sich gründlich informieren, um nicht in die Illegalität zu rutschen – oder zumindest in eine Grauzone. Das Deutsche Institut für Pflegeforschung in Köln schätzt den Anteil der irregulär Beschäftigten auf 90 Prozent.

Am geringsten ist das Risiko nach Angaben von Verbraucherzentralen und Stiftung Warentest bei dem Modell der Anstellung. Dabei werden die zu Pflegenden oder deren Angehörige zu Arbeitgebern. Die Hilfskräfte sind kranken-, pflege-, renten-, arbeitslosen- und unfallversichert. „Der Weg ist ethisch und rechtlich der beste, er geht sich aber nicht so leicht“, urteilt Stiftung Warentest. Es gebe viele Dokumente auszufüllen und Vorschriften zu beachten.

Weiter verbreitet ist deshalb die Organisation der ausländischen Pflegehilfe über eine Vermittlungsagentur. „Wer die Agenturen nutzt, handelt nicht illegal, sollte aber einiges beachten“, bilanzieren die Warentester nach einer Analyse und Befragung von 13 bundesweit tätigen Anbietern. Zwar seien neun der Agenturen hilfreich für Verbraucher gewesen, keine aber habe ihre Kunden gut über rechtliche oder finanzielle Aspekte informiert. Bei allen Firmen fanden die Tester Mängel in den Verträgen, vor allem zulasten der Beschäftigten, etwa in Bezug auf Arbeits- und Ruhezeiten.

Das größte Problem bei der Entsendung von Arbeitskräften ist Catharina Hansen zufolge die Intransparenz der Verträge, die zwischen den ausländischen Arbeitgebern und deren Angestellten geschlossen werden. „Viele Pflegekräfte aus dem Osten werden dazu angehalten, nicht über ihren Verdienst zu sprechen“, sagt sie. Einblick in die Verträge gewährten sie schon gar nicht. Und selbst das Vorlegen einer sogenannten A1-Bescheinigung, die als Nachweis einer sozialversicherungspflichtigen Anstellung im Heimatland gilt, sei keine Garantie. „Teilweise sind die Nachweise gefälscht“, sagt Hansen.

Darüber hinaus sei vielen Verbrauchern unklar, dass bei einer Entsendung das hiesige Arbeitsrecht mit seinen Mindeststandards gelte. Die maximal zulässige Arbeitszeit zum Beispiel betrage 48 Stunden pro Woche mit mindestens elf Stunden Ruhezeit zwischen den Arbeitseinsätzen und einem komplett freien Tag pro Woche. „Und man muss bedenken, dass die Entsendungsrichtlinien vorschreiben, dass diese Hilfe maximal zwei Jahre dauern darf“, sagt Hansen. Ob eine wirksame Entsendung vorliegt, kontrolliert bei entsprechenden Hinweisen von Nachbarn oder Konkurrenten der Zoll.

Besondere Vorsicht ist den Verbraucherzentralen zufolge geboten, wenn die vermittelten Pflegehelferinnen als Selbstständige arbeiten. „Es besteht das Risiko der sogenannten Scheinselbstständigkeit“, sagt Catharina Hansen. Diese liegt vor, wenn ein Selbstständiger nach objektiven Kriterien eigentlich ein Angestellter ist. Hinweise darauf seien, dass die Pflegehelfer nur einen Kunden haben oder über Monate mit im Haushalt wohnen. Bestätigt sich eine Scheinselbstständigkeit, kann das teuer werden. Der Haushalt wird dann nachträglich zum Arbeitgeber und muss Beiträge etwa zur Sozialversicherung nachzahlen.