Hamburg. Olaf Scholz gibt Regierungserklärungzum Krawall beim G20-Gipfel ab. Opposition fordert Rücktritt des Bürgermeisters

Der vielleicht wichtigste Satz seiner Amtszeit fiel bereits nach drei Minuten: „Dafür, dass das geschehen ist, bitte ich die Hamburgerinnen und Hamburger um Entschuldigung.“

Mit diesen Worten hat sich Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch in einer 35-minütigen Regierungserklärung in der Bürgerschaft dafür entschuldigt, was die Bürger während des G20-Gipfels erdulden und erleiden mussten – die massiven Verkehrsbehinderungen, Zerstörungen, schweren Ausschreitungen und den vorübergehenden Kontrollverlust über das Schanzenviertel. Die Einschränkungen für die Bürger seien „weit über die Behinderungen durch einen Hafengeburtstag“ hinausgegangen, sagte Scholz – eine selbstkritische Anspielung auf den vor dem Gipfel geäußerten Satz, die Stadt führe ja auch jedes Jahr den Hafengeburtstag durch.

Mit Blick auf die Sicherheitsgarantie, die er vor dem Gipfel ausgesprochen hatte, sagte Scholz, er sei damals „fest davon überzeugt“ gewesen, dass die Sicherheitsstrategie aufgehen würde. Nun müsse er einräumen: „Es ist trotz aller Vorbereitungen nicht durchweg gelungen, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Nicht zu jedem Zeitpunkt und nicht überall.“ Dennoch bedankte sich der Bürgermeister mehrfach bei der Polizei und bescheinigte ihr „heldenhaften Einsatz“.

Die Entscheidung für den Gipfel an der Elbe verteidigte Scholz unbeirrt. Wenn das in Hamburg nicht möglich sei, sei es in keiner westeuropäischen Stadt möglich. Scharf ging der SPD-Politiker mit der linken Szene ins Gericht, der er eine Mitschuld an den Krawallen gab: Manches, was aus der Roten Flora dazu zu hören war, sei „beschämend und menschenverachtend“. Konkrete Konsequenzen kündigte er nicht an.

Auch der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anjes Tjarks entschuldigte sich bei den Hamburgern. Es sei bedrückend, dass es trotz 20.000 Polizisten nicht gelungen sei, die Bürger ausreichend zu schützen. „Hierfür tragen wir eine politische Verantwortung.“

Ein Antrag der AfD, die drei grünen Senatoren zu entlassen, weil sie mit ihrer zum Teil gipfelkritischen Haltung dem Senat und der Polizei in den Rücken gefallen seien, wurde am Abend abgelehnt.

CDU-Fraktionschef André Trepoll erneuerte seine Rücktrittsforderung an den Bürgermeister. Dieser habe die Gefahr im Vorfeld verharmlost und sich während des Gipfels nicht um die Sorgen der Bürger gekümmert. „Trump und Putin wären auch ohne Sie ausgekommen“, so Trepoll. Auch ohne persönliche Schuld müsse Scholz die Verantwortung übernehmen und zurücktreten. FDP-Fraktionschefin Katja Suding sagte, Scholz habe sich für das Amt des Bürgermeisters disqualifiziert: „Wenn er nur einen Funken Anstand hätte, würde er zurücktreten.“

SPD-Fraktionschef Andreas Dressel nannte die Linkspartei den „parlamentarischen Arm des Schwarzen Blocks“ und provozierte damit Protest: „SPD und Grüne wollen die Schuld der Linken in die Schuhe schieben“, sagte deren Fraktionschefin Cansu Özdemir. „Das ist einfacher, als die Verantwortung zu tragen.“ Paukenschlag am Rande: Die frühere Fraktionschefin der Linken, Dora Heyenn, gab in der Debatte ihren Eintritt in die SPD bekannt.

Beschlossen wurde am Mittwoch, die Vorgänge beim G20-Gipfel in einem Sonderausschuss der Bürgerschaft aufzuklären. Außerdem einigten sich Hamburg und der Bund auf einen Sonderfonds von zehn Millionen Euro. Aus ihm sollen Bürger entschädigt werden, etwa für Vandalismus an Autos und Gebäuden.

In der Nacht zum Mittwoch brannten erneut fünf Autos, diesmal auf der Uhlenhorst. Die Polizei prüft einen Zusammenhang mit dem G20-Gipfel.

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