Leander Haußmanns Komödie „Das Pubertier“ nach dem Bestseller von Jan Weiler ist eine überdrehte Klamotte

Nehmen wir folgende Situation: Ein junger Mann und eine junge Frau, beide in der Pubertät, finden sich plötzlich allein in einem Zimmer wieder. Jetzt müssten sie eigentlich diese körperlichen Dinge miteinander anstellen, von denen sie und ihr Umfeld dauernd und wie besessen reden, sich also mindestens küssen, vielleicht noch mehr. Denkt er. Sie denkt: Mit dem? Auf gar keinen Fall.

Diese Szene aus dem „Pubertier“, der von Leander Haußmann inszenierten Verfilmung des Romans von Jan Weiler über seine pubertierende Tochter, ist symptomatisch. Das komische Potenzial springt einem schier entgegen: die Missverständnisse, die falschen Erwartungen, die Fallhöhe der Angst vor dem ersten Mal. Aber was macht dieser Film daraus? Eine überdrehte Klamotte.

Als Carla (Harriet Herbig-Matten) den Raum kurz verlässt, ruft ihr Gast einen Freund an, um sich ein paar Hinweise geben zu lassen. Sie enden in Aktionismus und unter anderem damit, dass er sich den Penis parfümiert. Der Vater Hannes Wenger (Jan Josef Liefers) liegt währenddessen unter dem Bett. Dort ist er hingekommen, weil er sich für die Inhalte des Laptops seiner Tochter interessierte.

Der Film übersetzt eine tragi­komische Geschichte in überdrehten Slapstick

Jan Weilers Roman, das machte ihn lesenswert, beschrieb die Pubertät nicht nur als einen Zeitraum, in der sich ein junges Mädchen stark verändert. Sondern auch als einen, in dem sich der Vater einen neuen Standort in ihrem Leben suchen muss. Mit melancholischen Gefühlen muss dieser Hannes Wenger erklären, dass sie vorbei sind: die Zeiten, in denen er seine Tochter auf den Schultern tragen konnte, in denen er, mit anderen Worten, der einzige Mann in ihrem Leben war. Nun ziehen Heerscharen verpickelter Halbstarker an ihm vorüber, und er muss mit dem Gedanken leben, dass sie seiner Tochter an die Wäsche wollen. Und als wäre das nicht schon unerträglich genug, will die Tochter auch Partys feiern, ausgehen, selbstständig sein: alles ohne ihn.

Das gab dem Buch eine charmante, bittersüße Note, die sich in den Film leider nur als Pose hinübergerettet hat. So wie überhaupt alles als Pose wiederkehrt, was auch authentisch und damit umso lustiger hätte dargestellt werden können. Aber es misslingt immer wieder, weil der Film eine tragi­komische Geschichte krampfhaft in Slapstick übersetzt.

Da veranstaltet Carla etwa eine Party. Alle möglichen Teenager verschwinden in ihrem Zimmer, dann ist es sehr still. Was geschieht da wohl?, fragt sich der Vater und unternimmt Versuche, das herauszufinden, klettert am Fenster hoch, landet auf dem Dach, wird dort von einer Waschbärenfamilie vertrieben, hat irgendwann eine ziemlich zerbissene Nase (haha) und knallt effektvoll in die Blumenrabatten (hahaha).

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Schauspieler sind, Heike Makatsch als berufstätige Mutter etwa oder Detlef Buck als machohafter Freund Holger, mit gutem Gespür gecastet. Das Problem besteht darin, dass der Film auf Teufel komm raus immer einen draufsetzen will: Witziges soll brüllkomisch werden und Absurdes grotesk.

So etwas funktioniert aber nicht, wenn die Geschichte selbst schon komisch ist. Die Klamauk-Filme der ­Zucker-Brüder rund um die „nackte Kanone“ Frank Drebin zum Beispiel waren gerade deshalb lustig, weil die Geschichten in ihrer Grundanlage ernsthaft waren. Die Komik ergab sich aus dem Kontrast. Hier haben wir es nun mit einem schluffigen Bildungsbürger zu tun, der zum Beispiel mit einen Laubbläser die Backen aufgepustet bekommt – nur, weil jemand wohl dachte: Sieht doch lustig aus.

Das ist in den ersten Minuten dieses Filmes lästig, und immer wieder ärgerlich. Wer sich für das Potenzial des Thema interessiert, sollte zum Buch greifen.

„Das Pubertier“ D 2017, 91 Min., ab 6 J.,
R: Leander Haußmann, D: Jan Josef Liefers,
Heike Makatsch, Harriet Herbig-Matten, Detlev Buck, täglich im Abaton, Cinemaxx Dammtor/
Harburg, Passage, UCI Othmarschen/Wandsbek;
www.constantin-film.de/kino/das-pubertier-der-film