Bei Scheidung oder anderen Streitigkeiten helfen Mediatoren. Auch die Kinder bekommen Gehör

Erst die große Liebe, dann der Rosenkrieg. Das muss nicht sein, wenn man neue Wege bei der Konfliktbewältigung geht. Immer mehr Paare setzen bei der Scheidung auf Mediation. Die außergerichtliche Verhandlung zwischen Konfliktparteien im Beisein eines neu-tralen Dritten (Mediator) hat das Ziel, einen Konsens zu erarbeiten, statt Konflikte mit Hilfe von Anwälten und Gericht auszufechten. „Was da im gemeinsamen Gespräch ausgehandelt wird, ist besser und hält länger als die Entscheidungen, die ein Familiengericht je treffen kann“, sagt die Rechtsanwältin und Mediatorin Ursula Reichardt. Es geht um eine gütliche und vor allem eigenverantwortliche Einigung, vor allem bei den Konfliktfeldern Wohnen, Unterhalt und Kinderbetreuung.

Bisher gab es bei der Mediation aber ein Problem: Treffen sich die Ehegatten mit einem Mediator, bleibt der Rechtsrat ausgespart. „Man ist viel stärker in der Rolle eines Moderators“, sagt Reichardt. Auch wenn der Mediator Rechtsanwalt ist, darf er keinen rechtlichen Rat erteilen. Er kann Vor- und Nachteile von Lösungen erläutern, aber niemals Partei ergreifen, etwa in dem er einseitig auf eine Frist hinweist.

Die Sozialpädagogin und Mediatorin Gerburg Lutter hat deshalb die Cooperative Praxis Nord (CP) gegründet, ein Netzwerk von Mediatoren, Anwälten und Coaches. „Ziel ist, dass die Beteiligten Vereinbarungen aushandeln, ohne Gericht“, sagt Lutter. Dieses Verfahren beruht auf den Prinzipien der Mediation, aber jeder am Konflikt Beteiligte wird von einem eigenen Mediator begleitet, der auch Rechtsanwalt sein kann und in dieser Konstellation auch rechtlichen Rat leisten darf. „Die gemeinsamen Entscheidungen entstehen aus dem Verständnis und der Akzeptanz für unterschiedliche Sichtweisen heraus und dem Interesse, eine geeignete Lösung zu erarbeiten“, sagt Lutter. In der CP verändert sich auch die Rolle des Anwalts. „Entscheidend ist nicht, was rechtlich möglich ist, sondern die Intensionen des Mandanten im Sinne der gemeinsamen Konfliktlösung“, sagt Reichardt. „Auch ein Kind kann in einem CP-Verfahren einen Verfahrensbeistand bekommen, um seine Wünsche besser zu artikulieren“, sagt Reichardt. Denn die Kinder sind bei einer Scheidung in einem großen Loyalitätskonflikt.

Ergebnisse der Gespräche werden schriftlich formuliert

Grundsätzlich können alle Streitenden eine Mediation versuchen. Wer aber nur einen Mediator wählt, sollte sich vorher von einem Rechtsanwalt beraten lassen. Voraussetzung ist, dass beide Seiten eine Einigung wollen. Ein Mediationsverfahren läuft in der Regel in fünf Stufen ab. Zunächst muss in einem Gespräch geklärt werden, ob die Mediation beiden Parteien gerecht werden kann. Dann geht es in der Themensammlung um die Konflikte. Das ist eine Phase des sich Öffnens, die von dem Mediator behutsam gesteuert wird. „Wir haben dazu verschiedene Techniken und viel psychologisches Geschick“, sagt Reichardt. So soll jeder Verständnis für den anderen entwickeln. Erst dann kann in der vierten Stufe nach Lösungen gesucht werden. Im letzten Schritt werden die Ergebnisse schriftlich formuliert. Jeder kann sie vor der Unterzeichnung von einem Anwalt überprüfen lassen. Scheidungsfolgevereinbarungen müssen ohnehin von einem Notar beurkundet werden. „Was ausgehandelt wird, ist verbindlich, wie ein außergerichtlicher Vergleich“, sagt die Hamburger Mediatorin Silke Dingwort. Zur tragfähigen Einigung kommt die Zeit- und Kostenersparnis. Ein Scheidungsverfahren kann bis zu drei Jahren dauern und teuer werden. Das Mediationsverfahren erstreckt sich in der Regel über fünf bis acht eineinhalbstündige Sitzungen. Das Stundenhonorar liegt zwischen 100 und 300 Euro. Doch nicht nur Trennungen lassen sich so besser regeln. Auch Pfusch am Bau klärt man besser im gemeinsamen Gespräch als vor Gericht. „Baustreitigkeiten lassen sich fast nie mit juristischen Mitteln lösen“, sagt Dingwort. Das koste nur Geld und Zeit für Gutachten, ohne dass die Mängel schnell beseitigt würden.

Mediatoren schlichten auch bei Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber, bei Erbangelegenheiten, in Mietfällen, bei Nachbarschaftsstreitigkeiten, in der Wirtschaft oder bei medizinischen Auseinandersetzungen.

Das Hamburger Institut für Mediatoren bietet Adressen, Ausbildung und Arbeitsschwerpunkte von zugelassenen Mediatoren.
Näheres unter www.himev.de und unter www.cooperative-praxis-nord.de