Die Dokumentation „Mein wunderbares West-Berlin“ berührt und beeindruckt

Wieland Speck steht in seiner Männer-WG und packt Umzugskisten. Es ist ein Abschied nicht nur von einer Wohnung, sondern von bewegten Jahren schwuler Männer in Berlin. Seit den 70er-Jahren experimentierten viele, wie Speck, heute Leiter der Berlinale-Sektion Panorama und Mitbegründer des queeren Filmpreises Teddy, mit neuen Lebensmodellen jenseits von Familie und Zweierbeziehung.

Regisseur Jochen Hick, der sich in Filmen wie „Out in Ost-Berlin“ immer wieder schwulen Lebensläufen widmet, zeigt in seiner neuen Doku, was es bedeutete, vor dem Mauerfall im Westteil der Stadt schwul zu sein. Neben erstaunlichen historischen Aufnahmen, von den Repressalien in den 50er-Jahren unter Paragraf 175 über die Befreiungskämpfe der 70er und die Aidskrise eine Dekade später, holt er etliche Akteure von damals vor die Kamera. So wie Cabaretlegende Romy Haag, Filmemacher Rosa von Praunheim, Starfriseur Udo Walz oder der Mitgründer des Schwulen Museums, Wolfgang Theis, kamen fast alle in jungen Jahren aus der Provinz in die Mauerstadt, um hier ein freieres Leben führen zu können.

Eine beeindruckende wie berührende Geschichtsstunde aus einer Ära lange vor der Debatte um die Ehe für alle, vor sexueller Gleichberechtigung, als Schwule noch zur Subkultur erklärt wurden. Hicks Film sollte Unterrichtsstoff an Schulen werden.

„Mein wunderbares West-Berlin“ D 2017,
98 Min., ab 16 J., R: Jochen Hick, Andreas
Strohfeldt, im Abaton