Die Tränenflüssigkeit versorgt das Auge mit Nährstoffen, Sauerstoff und Abwehrstoffen

Die Augen brennen, sind gerötet und müde. Licht wird zur Qual und mit jedem Wimpernschlag scheint Sandpapier die Hornhaut zu malträtieren – das sind Symptome von trockenen Augen. Medizinisch das Sicca-Syndrom. Augenärzte sprechen von einer Volkskrankheit. Etwa jeder fünfte Patient, der einen Augenarzt aufsucht, kommt mit diesen Beschwerden. Typisch sind sie vor allem für ältere Menschen, weil die Produktion der Tränenflüssigkeit mit dem Alter abnimmt.

Die Flüssigkeit, die kontinuierlich in den Tränendrüsen produziert wird, erfüllt mehrere Aufgaben. Sie hält die Innenseite der Lider, die Bindehaut und die Hornhaut feucht, versorgt die äußere Hornhautschicht mit Sauerstoff und Nährstoffen, glättet Unebenheiten auf der Hornhaut, tötet Krankheitserreger wie Viren oder Bakterien ab und schwemmt Fremdkörper aus.

Alle fünf bis zehn Sekunden verteilt der Lidschlag wie ein Scheibenwischer den hauchdünnen Tränenfilm über die Augen. Er besteht aus drei Schichten. Die Schleimschicht (Muzinschicht) bedeckt direkt die Augenoberfläche und sorgt dafür, dass der Tränenfilm an der Hornhaut haftet. Sie geht über in die wässrige Schicht. Diese macht den größten Teil aus. In ihr schwimmen neben Wasser auch Nährstoffe, Sauerstoff und Abwehrstoffe. Die äußere Schicht ist sehr dünn und fetthaltig. Sie verhindert, dass die Tränenflüssigkeit schnell verdunstet. Nur ein intakter Tränenfilm, den der Lidschlag alle fünf bis zehn Sekunden gleichmäßig über die Augenoberfläche verteilt, erfüllt diese Aufgaben.

Auch junge Menschen leiden unter Augenreizungen

Auch wenn vor allem Ältere betroffen sind, „die moderne Lebensweise mit langen Arbeitstagen oder auch endlosen Spielstunden am Computer trägt dazu bei, dass auch jüngere Menschen unter Augenreizungen leiden“, sagt Prof. Gerd Geerling von der Augenklinik am Universitätsklinikum Düsseldorf. Der Grund: Im konzentrierten Blick auf den Bildschirm blinzeln wir nicht mehr zehn- bis fünfzehn mal pro Minute, sondern nur noch ein- bis zweimal! Häufig sind es Umwelteinflüsse, die nach Erfahrungen des Hamburger Augenarztes Dr. Friedrich Flohr, die Beschwerden auslösen. Trockene (Heizungs-) Luft, Klimaanlagen, Stäube, Zigarettenrauch zählen dazu. Es können aber auch Erkrankungen der Schilddrüse, des Zuckerstoffwechsels oder Diabetes mellitus der Grund für diese Beschwerden sein. Zudem beeinflussen einige Medikamente bei längerer Einnahme, etwa die Anti-Baby-Pille, Schlaf- und Beruhigungsmittel sowie Beta-Blocker die Produktion und Zusammensetzung des Tränenfilms negativ.

Wenn ein Patient über Symptome des trockenen Auges klagt, bedarf es also einer differenzierten und umfassenden Befragung, um die Ursachen für die Beschwerden zu ergründen. Bei der Untersuchung der Augen mit der Spaltlampe analysieren die Ärzte den Zustand der Lidkante und gewinnen einen ersten Eindruck über die Menge und die Qualität des Tränenfilms. Mit dem Schirmer-Test, bei dem kleine Streifen aus saugfähigem Papier vorsichtig in den Bindehautsack gelegt werden, wird die Menge der Tränenflüssigkeit geprüft. Die Stabilität des Tränenfilms beurteilt der Facharzt mit der Messung der sogenannten Tränenfilmaufrisszeit. Dafür tragen sie auf der Augenoberfläche einen ungiftigen Farbstoff auf und warten, wie lange dieser vollflächig erhalten bleibt – der Patient darf dabei nicht blinzeln!

Die Zusammensetzung des Tränenfilms ist wichtig

Diese Tests sind wichtig, um die weitere Behandlung zu planen. Denn es ist ein Unterschied, ob zu wenig Tränenflüssigkeit produziert wird oder ob die Tränenflüssigkeit zu rasch verdunstet, weil die ölige Schicht des Tränenfilms nicht ausreicht. „Wenn letzteres der Fall ist, dann produzieren die Meibomdrüsen, die an den Lidkanten sitzen, zu wenig fetthaltiges Sekret. Die Zusammensetzung des Tränenfilms gerät dann aus dem Gleichgewicht“, sagt Dr. Flohr. Bei den meisten Patienten mit Sicca-Syndrom ist das der Fall. Warmwassermassagen können die sensiblen Drüsen am Lidrand anspornen, wieder mehr fetthaltiges Sekret zu produzieren. Das verläuft meist sehr erfolgreich. Manchmal müssen aber auch Antibiotika gegeben werden, um eine Entzündung der Drüsen zu heilen.

Ansonsten helfen Tränenersatzmittel weiter – sofern keine Krankheit diese Beschwerden auslöst. „Verursachen Medikamente diese Probleme, dann sollte mit dem Arzt geprüft werden, ob ein anderes Präparat möglich ist“, sagt Flohr. „Mit einer individuellen Behandlung lässt sich das Sicca-Syndrom gut in den Griff bekommen – wenn die Patienten rechtzeitig zum Arzt gehen.“