Hamburg. Zahl der Autos im Westen steigt seit Jahren dramatisch. CDU-Politiker fordern bessere Koordination. Grüne: Auto häufiger stehen lassen

Sie stehen auf dem Osdorfer Weg, der Ebertallee und der Von- Sauer-Straße. Sie quälen sich über die Elbchaussee, durch den Kalckreuthweg und die Reventlowstraße. Auch an der Osdorfer Landstraße herrscht Stop-and-go. Stoßstange an Stoßstange zieht sich die Blechlawine durch den Hamburger Westen – und das schon lange nicht mehr nur zur Rushhour. Die an sich so beschaulichen Elbvororte versinken stellenweise im Verkehrschaos, werden als Ausweichstrecken für Schwertransporter und Kurzzeit-Parkflächen für Pendler missbraucht.

Doch das Problem entsteht in den Stadtteilen selbst, denn: Die Zahl der privat genutzten Autos nimmt im Hamburger Westen stark zu und das seit Jahren kontinuierlich. Das zeigt jetzt die Antwort auf eine Anfrage des verkehrspolitischen Sprechers der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis Thering.

Danach stieg die Zahl der Privatwagen in den Elbvororten von 1999 bis heute von 25.203 auf 28.277 Fahrzeuge – eine Steigerung um 16 Prozent. Firmen- beziehungsweise Dienstwagen, die von Unternehmen mit Sitz in der Innenstadt gestellt werden, sind bei dieser Erhebung noch gar nicht berücksichtigt. Der Verkehrsexperte schätzt, dass deren Anteil mindestens noch einmal 2000 zusätzliche Autos ausmacht.

Fahrzeugdichte liegt weit über dem Hamburger Durchschnitt

Für gewerblich zugelassene Pkw, beispielsweise von Pflegediensten oder Handwerksbetrieben, liegen Zahlen für 2011, 2012 und 2017 vor. Im Jahr 2011 hatte diese Zahl bei 3326 gelegen, aktuell sind 2351 Fahrzeuge gemeldet. Thering vermutet, dass der Rückgang mit dem Aus für viele kleine Unternehmen in den Elbvororten zusammenhängt. Zusammen genommen liegt die Zahl der privat und gewerblich genutzten Autos in den Elbvororten bei rund 30.500 – eine hohe Zahl. Die Verteilung auf die einzelnen Stadtteile ist dabei höchst unterschiedlich. Einige Beispiele: In Othmarschen stieg die Zahl der privat genutzten Autos von 4878 im Jahr 1999 auf 6585 in diesem Jahr. In Blankenese waren 1999 genau 5863 private Autos gemeldet, heute sind es 6621. Weniger deutlich verändert hat sich diese Vergleichszahl in Rissen: Sie kletterte von 6242 im Jahr 1999 auf jetzt 6738. „Die Zahlen legen nahe, dass die Verkehrsproblematik in den Elbvororten besondere Aufmerksamkeit verdient“, so Thering, „und zwar ohne jeden Aufschub.“

Analog zu den gestiegenen Pkw-Zahlen haben sich, wie nicht anders zu erwarten, die Einwohnerzahlen in den Elbvororten entwickelt. Hatten sie beispielsweise in Othmarschen im Jahr 1986 noch bei 11.049 gelegen, wohnen heute 14.893 Menschen in diesem Stadtteil. In Rissen kletterte die Zahl im selben Zeitraum von 14.212 auf 15.159, in Nienstedten von 6374 auf 7238.

Insgesamt liegt die Fahrzeugdichte in den Elbvororten weit über dem Hamburger Durchschnitt, der 339 je 1000 Einwohner beträgt. Für Irritationen sorgt bei Thering die Senats-Antwort auf die Frage, welche Maßnahmen der Senat aus den Erkenntnissen über die Kombination aus stark gestiegenen Einwohner- und Pkw-Zahlen gezogen habe. In der Antwort heißt es unter anderem, „Daten im Sinne der Fragestellung werden nicht erhoben“. Unter anderem würden Straßen und Wege „den sich stellenden Anforderungen angepasst“.

Für Thering ist das ein Beleg dafür, dass die Verkehrsplanung nur mangelhaft koordiniert wird – auch und gerade in den Elbvororten. Projekte wie die Umgestaltung der Elbchaussee zur radfahrerfreundlichen Straße würden dazu beitragen, das Problem weiter zu verschärfen. Ähnlich sieht das der Altonaer CDU-Verkehrsexperte Tim Schmuckall. Er wirft dem Senat vor, bei der Verkehrsplanung im Hamburger Westen viel zu kleinteilig zu agieren, statt die große Linie zu sehen. Die Altonaer Verkehrsexpertin Eva Botzenhart (Grüne) kontert: „Der Trend geht offensichtlich zum Zweit- oder Drittwagen. Die einkommensstarken Stadtteile der Elbvororte bilden dieses Phänomen natürlich deutlicher ab. Hilfreich wäre es, das Auto häufiger mal stehen zu lassen. Aber daraus jetzt den Schluss zu ziehen, es fehle an Koordination, kann nur eines bedeuten: Die Herren von der CDU gehen die Sache zu kleinteilig an.“

Nur wenige steigen auf öffentliche Verkehrsmittel um

Thering und Schmuckall erneuern ihre Forderung nach sogenannten Sicherheits-Audits, bei denen Verkehrsplanung von externen Gutachtern überprüft wird. Hamburg sei das einzige Bundesland, in dem das fehle.

Dass viele Elbvorortler weiterhin konsequent mit dem Auto in die City oder andere Teile der Stadt fahren, legt eine andere Zahl nahe: die der „Einsteiger“ in die S 1 auf der Strecke Richtung Poppenbüttel. Allerdings ist auch diese Zahl gestiegen. Nicht für alle abgefragten Zeiträume wurden Daten erfasst – einige Beispiele: Lag die Zahl der Einsteiger bei der Station Klein Flottbek/Botanischer Garten 2004 bei 3036 Personen täglich, kletterte sie 2014 auf 3895. Ab Sülldorf fuhren 2004 täglich 1076 Menschen per S-Bahn in die Stadt, 2014 waren es 1337. Die deutlichste Steigerung gab es in Othmarschen: von 3995 (2004) auf 5137 im Jahr 2014.