Als Regieassistent muss man im zeitlich engen Alltag des Stadttheaters seine Chance suchen. Im zweiten Jahr wurde bei Leo Schenkel, Regieassistent am Schauspielhaus, der Wunsch immer größer, eigene Ideen umzusetzen. Bei Intendantin Karin Beier fand er ein offenes Ohr. Sie bot ihm das Rangfoyer als Spielstätte an. Und so kommt es, dass der gerade mal 25-jährige Sohn einer Theaterfamilie vom 18. Juni an mit „Die Nacht kurz vor den Wäldern“ von Bernard-Marie Koltès seine erste eigene Regiearbeit präsentiert.

Kein einfacher Stoff. Der französische Autor Koltès landete seinerzeit 1977 mit dem tragikomischen Verzweiflungsmonolog einen Überraschungserfolg. Das Stück ist eine lange Suada eines Außen­seiters, der durch die Stadt streift und seine Enttäuschung und Wut mit der bestehenden Gesellschaft verarbeitet. Bei Schenkel spielt diesen Monolog Anne Müller. „Es geht um einen Menschen, der sich abgehängt fühlt, der sich selbst nicht zur Gesellschaft zählt, im Grunde aber unbedingt dazugehören will“, erzählt Leo Schenkel. „Dieser Mensch spürt den großen Wunsch nach einemFreund, mit dem er reden kann. In dem Zusammenhang sind Geschlecht oder Alter egal. Ich denke sogar, dass man, indem man die Rolle mit einer Frau besetzt, die Stigmatisierung dieser Person durch den Zuschauer verhindert.“

Der Monolog richtet sich an ein unsichtbares Gegenüber. Im Grunde ist er aufgebaut wie ein einziger langer Satz, und es besteht kein Zweifel daran, dass eine versierte Schauspielerin wie Anne Müller diese Solo-Herausforderung mit Bravour meistern wird.

Schenkel möchte, dass der Zuschauer in der besonderen Intimität der Spielstätte, die eine ungewohnte Nähe zwischen Zuschauer und Spielerin herstellt, dem Gegenüber unvoreingenommen zuhören muss. „Mein Wunsch wäre, dass der Zuschauer seine Unvoreingenommenheit gegenüber den Menschen, die dem Protagonisten ähneln, überprüft.“ Denn auch dieser sucht im Dauerregen immer wieder einen Platz zum Schlafen und eben einen Menschen als Gesprächspartner. Er ist ein Fremder, nicht so richtig von hier. Ein Verlorener, zu einer Existenz zwischen öffentlichen Toiletten und U-Bahn-Schächten verdammt.

Als Regieassistent hat Leo Schenkel schon bei Regisseurin Karin Henkel und ihrer Dostojewski-Adaption „Schuld und Sühne“ mitgearbeitet. „Koltès beschäftigt sich, wie Dostojewski, mit der Reaktion derer, die unter sozialer Ungerechtigkeit leiden. Beide beschreiben dabei die Psychologie der Betroffenen sehr präzise.“ Es sei also kein Wunder, dass er sich für diesen Text von Koltès entschieden habe.

Nach der Zeit am Schauspielhaus möchte Leo Schenkel sich erst einmal weiter ausprobieren, vielleicht ein Studium aufnehmen, aber das ist ja schließlich das Privileg der Jugend.

„Die Nacht kurz vor den Wäldern“ Premiere So 18.6., 20 Uhr, weitere Termine 27.6., 4.7., 11.7., Rangfoyer im Schauspielhaus, Kirchenallee 39, Karten zu 13 Euro unter T. 24 87 13