Norderstedt. Norderstedter nimmt für Ju-Jutsu-Kampf binnen vier Wochen mehr als neun Kilo ab

Die Zeit war knapp. Ganze zehn Sekunden blieben Tim Weidenbecher im Finale der Ju-Jutsu-Europameisterschaften, um Dmitry Marchenko doch noch zu besiegen. Der Russe führte in der Sporthalle von Banja Luka (Bosnien-Herzegowina) mit 9:6 Punkten und stand kurz vor dem Titelgewinn in der Gewichtsklasse bis 94 Kilogramm. Doch Weidenbecher gab nicht auf und mobilisierte die letzten Kräfte: Mit zwei Tritten zum Kopf und Körper des Gegners sorgte der frühere nationale U18- und U21-Weltmeister für die Wende.

„Ich wusste nicht, für wen es 10:9 stand. Aber als meine Betreuer und Teamkollegen anfingen, die Zeit runterzuzählen, war mir klar, dass ich vorne liegen musste“, sagte Weidenbecher, der nach dem Kampf Bundestrainer Steffen Heckele (Sindelfingen) und anschließend seinem Heimcoach Stefan Jacobs um den Hals fiel.

Mit dem EM-Triumph feierte der 23-Jährige seinen ersten internationalen Erfolg im Erwachsenenbereich. „Das alles habe ich vor allem Stefan Jacobs zu verdanken. Er kennt und betreut mich schon seit 1999, als ich mit Ju-Jutsu angefangen habe“, sagt der Champion.

Der Weg zum Titel war mühsam. Nach dem enttäuschenden fünften Platz bei der WM 2016 in Breslau musste sich der Norderstedter erst einmal neu motivieren. „Ich war ziemlich frustriert. Aber als feststand, dass ich mich aufgrund meiner Führungsposition in der Weltrangliste für die World Games im Juli qualifiziert hatte, fing ich wieder an, intensiv zu trainieren.“

Im Fokus standen dabei vor allem die Verbesserung der Kraftausdauer, viel Mattentraining und regelmäßige Besuche im Fitness-Studio. „Vor vier Wochen hatte ich noch 103 Kilo auf den Rippen. Dann habe ich damit begonnen, meine Ernährung umzustellen“, so Weidenbecher, der täglich sieben Liter Wasser zu sich nahm, fast komplett auf Kohlenhydrate verzichtete und so fünf Kilogramm leichter wurde. „Die restlichen vier Kilo habe ich im Arriba-Erlebnisbad verloren. Ich war am Tag vor der Abfahrt vier Stunden in der Sauna und habe sieben Durchgänge gemacht.“

1500 Kilometer ging es mit dem Reisebus nach Banja Luka. Direkt nach der Ankunft am Veranstaltungsort fand das offizielle Wiegen statt. Für Tim Weidenbecher wurden 93,8 Kilogramm notiert, seinem Start stand also nichts mehr im Wege. Oder doch?

„Wir hatten nach der Ankunft natürlich Riesenhunger. Aber in den Restaurants in Banja Luka gab es nur Fleisch, Fleisch und noch mal Fleisch. Da ich ja in den letzten Wochen relativ wenig zu mir genommen habe, musste ich schon ein wenig darauf achten, nicht zu viel zu bestellen. Den Fehler habe ich schon einmal gemacht, das ist mir damals nicht gut bekommen.“ Am Abend vor dem Wettkampf war der 1,88 Meter große Kodokaner fix und fertig. „Ich dachte nicht, dass ich am nächsten Tag fit bin und Europameister werden kann.“ Er sollte sich gehörig täuschen...