Berlin.

Es sollte ein fröhlicher Wanderausflug werden, doch er endete tödlich: Am vergangenen Mittwoch wurde eine 70-jährige Österreicherin bei Kitzbühel in den Alpen von einer Kuhherde zu Tode getrampelt. Sie war über einen Zaun gestiegen, um die Weide zu überqueren, auf der mehrere Kühe mit ihren Kälbern grasten. Sie und ihre Begleiterin hatten Hunde dabei. Die Polizei ermittelt jetzt, wie es zu dem Drama kommen konnte, ob sich die Kühe von den Hunden provoziert gefühlt haben könnten.

Es war nicht der erste Todesfall in dieser noch jungen Wandersaison. Bereits Ende April war eine 53-jährige Frau etwa 80 Meter tief in den Königssee in Oberbayern gestürzt. Den Ermittlungen zufolge hatte die Wanderin einen befestigten Wanderweg verlassen, um ihre Strecke abzukürzen. Tragische Einzelfälle – oder werden Wanderer immer sorgloser?

Wandern in Deutschland boomt. Einer aktuellen Studie zufolge sind knapp 70 Prozent der Deutschen schon einmal gewandert. 2010 waren es lediglich 55 Prozent. Im Internet und in Prospekten wird mit romantischen Sonnenuntergängen, grünen Wiesen und großartigen Ausblicken geworben. Dass besonders in den Bergen auch Erfahrung und Ausdauer gefragt sind, mag der eine oder andere bei der Planung seines Naturerlebnisses überlesen. Im Gegenteil – mancher denkt: „Das ist super, das gefällt mir, da geh’ ich auch hin“, sagt Stefan Winter, Ressortleiter Breitensport beim Deutschen Alpenverein (DAV). „Aber die Berge sind kein Fake. Es sind wirklich echte Naturerlebnisse, verbunden mit echten Naturgefahren.“

Kühe etwa sind zwar friedliche Tiere, können aber zur tödlichen Gefahr werden. Vor drei Jahren wurde eine 45-jährige Frau aus Rheinland-Pfalz im Tiroler Stubaital von Kühen angegriffen und getötet – vermutlich, weil ihr Hund die Tiere erschreckt hatte. Die Tierschutzorganisation Peta empfiehlt Wanderern, Kälber nicht zu streicheln, um die Mutterkuh nicht zu reizen. Wer mit einem Hund unterwegs sei, solle diesen anleinen und Routen fernab von grasenden Tieren wählen.

Allein in Bayern mussten Bergretter 2016 etwa 7000-mal ausrücken. 45 Wanderer kamen dort im vergangenen Jahr ums Leben. Zum Vergleich: Unter Skifahrern gab es in Bayern in der Zeit nur einen tödlichen Unfall. „Die Menschen verlieren den Blick für die Realität“, sagt Raimund Wimmer, Sprecher der Bergwacht Württemberg. Das positive Image des Wanderns sorge bei vielen für den Eindruck, mal eben auf die Zugspitze spazieren zu können. Wimmer selbst hat sogar schon von Wanderern gehört, die versucht haben, Deutschlands höchsten Berg mit Sandalen zu besteigen. „Manche gehen auch nur im T-Shirt los, werden dann von einem Unwetter überrascht und müssen wegen Unterkühlung gerettet werden“, sagt er. Andere könnten keine Karten lesen oder verschätzten sich in der Zeit und stehen plötzlich im Dunkeln. Dazu komme das unberechenbare Wetter.

Gerade die Region um die Zugspitze (2962 Meter) oder den 2713 Meter hohen Watzmann in den Berchtesgadener Alpen sind für die Retter zentrale Punkte. „Das sind regelrechte Prestigeberge“, sagt Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein. Viele Wanderer überschätzten sich. Erst vor knapp zwei Wochen stürzte ein 77-Jähriger auf dem Weg zum Zugspitz-Gipfel in den Tod. Bekannten hatte er zuvor mitgeteilt, er wolle „nur etwas spazieren gehen“.

Doch es sind nicht immer nur die unerfahrenen Wanderer in Sandalen und T-Shirt, die regelmäßig die Hilfe der Bergretter brauchen. Der Absatz im Handel mit Wanderausrüstung steigt seit Jahren an. Aber eine gute Ausrüstung allein macht noch keinen guten Wanderer. „Die Menschen denken, sie würden sich dadurch Sicherheit kaufen“, sagt Bergretter Wimmer. Stattdessen verließen sich viele blind auf Smartphones oder GPS-Geräte, seien dann aber in einem Funkloch oder im Nebel aufgeschmissen.

Experte empfiehlt, die Routen vorher zu prüfen

Auch Thomas Bucher vom Alpenverein sagt: „Man darf nie vergessen: Berge sind Wildnis.“ Er empfiehlt jedem unerfahrenen Wanderer, sich vorher genau über geeignete Touren zu informieren. „Man sollte sich lieber schrittweise vorarbeiten und die Belastung langsam steigern.“ So seien zwei Stunden Aufstieg zu Beginn genug. Wer dann noch an ausreichend Wasser, Sonnenschutz und regenfeste Kleidung denkt, hat schon viel für die eigene Sicherheit getan.