Früher saß ich oft vor einem Salatblatt und fragte: „Warum bist du kein Schnitzel?" Ich gestehe: Fleisch war nicht nur mein Gemüse, sondern auch mein Brot, mein Käse, mein Ein und Alles, vor allem in der Grillsaison. Heute sitze ich vor dem Schnitzel und frage: „Warum musst du mich so quälen?“

Denn da liegt kein Leckerbissen, sondern eine Anklage. Wie mag das Tier sein Leben verbracht haben? Stecken Antibiotika drin? Wie viel Wasser, Futter, Dünger, Klimagase kostet dieses halbe Pfund Brutzelgut, das im Angebot war? Wurde der Bauer fair bezahlt, der Schlachter, der Fleischthekenmitarbeiter? Und wie verlässlich sind Bio-Siegel, deren Bedeutung ich schon wieder nicht gegoogelt habe? Fleisch, sagen die Kinder im Einklang mit dem Dalai Lama, transportiere „mieses Karma“.

Wir leben in einer Wissensgesellschaft, behaupten Optimisten. Nie zuvor standen so viele Informationen bereit. Schön, ich kenne alle Probleme, die an einem Schnitzel kleben könnten. Darf ich das nun essen? Keine Ahnung. Denn dummerweise erzeugt mehr Wissen mehr Unwissen. Was sagen Grenzwerte, Stempel und Stallgrößen darüber, ob der Verzehr eines Schnitzels diese Welt besser macht oder zumindest nicht schlechter, was für gute Menschen wie uns die Maxime allen Handelns sein sollte?

Neulich las ich, dass Salat gefähr­liche Bakterien enthalten kann, vor allem vorgeschnittener in Plastikbeuteln. Manchmal sitze ich nun vor einem Salatblatt und denke: „Warum bist du kein klares Wasser aus der Natur?“ Auch nicht gut. Unlängst war zu lesen, dass der Regen garstige Mikropartikel selbst bis in entlegenste Bergseen transportiert. Und jetzt? Soll ich mein Frühstück atmen? Ganz schlecht. Was da alles in der Luft schwebt. Die ersten Tomaten auf dem Balkon röten sich zart. Ich werde sie mir gut einteilen.