Ethan Hawke überzeugt als drogenabhängiger Trompeter und „King Of Cool“ Chet Baker im Musikdrama „Born To Be Blue“

Er verstand es, aus seiner zerrütteten Seele die sensibelsten, zerbrechlichsten, wehmütigsten Töne hervorzuholen. Der amerikanische Jazztrompeter Chet Baker (1929-1988) war der „King of Cool“, wurde als „James Dean des Jazz“ apostrophiert, woran die ikonischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Fotografen William Claxton keinen geringen Anteil hatten. Er war ein Star in den 50er-Jahren, er stürzte tief durch seine Drogensucht. Er feierte mit eisernem Willen in den 60er-Jahren ein Comeback, bis ihn das Heroin zerstörte.

Nun hat sich der kanadische Regisseur Robert Budreau dieser so genialen wie tragischen Figur des Jazz mit einem außergewöhnlichen Spielfilm genähert. Und mit Ethan Hawke hat er einen Hauptdarsteller gefunden, der dem zwischen Genie und Drogen hin- und hergerissenen Musiker großes Format verleiht.

Zu Beginn von „Born To Be Blue“ sehen wir den Musiker am Boden zerstört. Er liegt 1966 auf dem Boden eines italienischen Gefängnisses, in das ihn seine Drogensucht, wie so oft, gebracht hat. Er starrt im Delirium auf seine Trompete, aus der eine Vogelspinne kriecht. Zwölf Jahre zuvor war er erstmals im legendären New Yorker Jazzclub Birdland aufgetreten. Chet Baker war ein Star, doch das Heroin trieb ihn in den Abgrund.

Ein italienischer Regisseur holt ihn aus dem Gefängnis, will einen Film über ihn drehen, in dem er selbst die Hauptrolle spielen soll. Bei den Dreharbeiten lernt Baker Jane (Carmen Ejogo) kennen und lieben. Die Schauspielerin wird künftig die Frau an seiner Seite sein, die versucht, ihn dank Methadon von seiner Sucht zu befreien. Den Film aber hat es nie gegeben, auch die Schauspielerin ist Fiktion.

Er macht den Willen spürbar, mit dem Baker nicht von der Musik lassen kann

Ethan Hawke spielt Baker mit überwältigender Coolness, weiß aber auch in der Erbärmlichkeit des Junkies zu bestehen. Er macht diesen unbändigen Willen spürbar, mit dem der einst gut aussehende Kerl nicht von seiner Musik lassen kann. Denn bei einer Schlägerei mit Drogendealern Mitte der Sechziger verliert er fast alle Zähne seines Oberkiefers und muss fortan eine Zahnprothese tragen. Das Ende für jeden Trompeter.

Doch Baker will nicht aufgeben und findet Halt bei seiner Freundin Jane. Er übt und übt in jeder freien Minute. Einmal sieht man ihn in voller Montur in der Badewanne liegen und das Mundstück unter Schmerzen immer wieder ansetzen, Blut trieft ihm dabei aus dem Mund. Er nimmt jeden noch so kleinen Job an, und sei es als Aushilfstrompeter in einer Mariachi Band. Und er kommt wieder auf die Beine.

Am Ende steht er wieder im Birdland, in dem Dizzie Gillespie und Miles Davis im Publikum sitzen. Es könnte nicht besser für ihn laufen, doch das Heroin holt ihn sich zurück. Er brauche das Heroin, beichtet er seinem Manager. „Es weitet die Zeit so, dass ich in jede einzelne Note hineinkriechen kann.“

Das Geschehen der 50er-Jahre ist schwarz-weiß mit der Handkamera gedreht, die 60er-Jahre sind es mit ausgefeilter Technik in Farbe. Dass man diesem von seiner Sucht gequälten Mann so nahekommt, ist aber vor allem das Verdienst von Ethan Hawke, der Baker-Klassiker wie „My Funny Valentine“ selbst singt. Die komplette Musik wurde neu eingespielt von Trompeter Kevin Turcotte, der sich Baker auf versierte Weise nähert.

Chet-Baker-Fans mögen über die biografischen Freiheiten die Nase rümpfen, doch „Born To Be Blue“ ist nun mal kein typisches Biopic, sondern das dramatische Porträt eines Mannes, der sich verzweifelt zurück in sein Leben und auf die Jazzbühne kämpft. Mit stimmigen Bildern, mit einem großartigen Ensemble und offenem Ende. Der tragische Fenstersturz in Amsterdam, der Baker das Leben kostete, wird nur im Nachspann erwähnt.

„Born To Be Blue“ CAN/GB 2015, 97 Min., ab 12 J., R: Robert Budreau, D: Ethan Hawke, Carmen Ejogo, Callum Keith Rennie, tägl. im Abaton (OmU), Holi, Koralle-Kino, Passage, Studio-Kino, Zeise