Eine gelungene Satire hat Tiefe und hallt lange nach – das Kammerspiel „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ ist solch ein Fall. Der Film, der im Februar bei der Berlinale Premiere feierte, wartet nicht nur mit Starbesetzung auf, er beruht auch auf hervorragenden Texten. Und das Familiendrama ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Eugen Ruge.

Der Schriftsteller wurde für sein Erstlingswerk 2011 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Der Stoff war danach vielfach auf deutschen Theaterbühnen zu sehen. Das Drehbuch stammt von Wolfgang Kohlhaase. Der Altmeister unter den deutschen Filmschreibern paart darin brachiale Ironie mit feinstem Wortwitz. Buch und Film sezieren den sozialistischen Traum. Hauptfigur ist Wilhelm Powileit (Bruno Ganz). Der DDR-Bürger lebt gedanklich in einem Land, das es so wie in seinem Kopf nicht mehr gibt. Die Leinwandversion konzentriert sich auf einen Tag im Herbst 1989 in Ostberlin. Powileit wird 90, die DDR 40 Jahre alt.

An seinem Ehrentag wollen Powileits Frau Charlotte (Hildegard Schmahl) und sein Sohn Kurt (Sylvester Groth) ihm ein parteikonformes Fest bereiten und den eintretenden Niedergang des Einheitsstaats totschweigen – ebenso die Flucht des Enkels Sascha (Alexander Fehling). Dann kommt das Geheimnis ans Licht. Für Powileit zerbricht eine Welt.

Ein ironischer Dialog jagt den nächsten. Grandios inszeniert von Matti Geschonneck, ist der Schlagabtausch des Griesgrams mit seinen Gästen. Unter diesen sind SED-Funktionäre, die recht unbeholfen ein Loblied auf einheimische Produkte singen. „Wir wollen dem französischen Brie-Käse in Brandenburg eine zweite Heimat geben“, protzt einer vom Molkereikombinat Wiesengrund. Sein einfältiger Begleiter: „Das Ziel ist Ostkäse, der wie Westkäse schmeckt.“ Köstlich.

Ein Erzeugnis erster Güte ist auch die Schauspielkunst. Ganz als lakonischer Kauz verlegt sich Powileit darauf, die meisten unterkühlt abzubügeln. Ein wundervolles Charakterstück legt auch Hildegard Schmahl hin: Als verbitterte Ehefrau macht sie ihrem Frust schimpfend Luft. Einmal wettert sie: „Er repariert das Haus, hinterher ist alles kaputt.“ So zele­briert es der Film, Dinge wie Ideen zu Bruch gehen zu lassen. Geschichtsklitterung war selten so komisch.

„In Zeiten des abnehmenden Lichts“ D 2017, 101 Min., o. A., R: Matti Geschonneck, D: Bruno Ganz, Sylvester Groth, Hildegard Schmahl, täglich im Abaton, Koralle-Kino, Passage, Zeise