Anfang der 1980er-Jahre sorgte der Roman „Die Welle“ des US-Amerikaners Morton Rhue für Aufsehen. Ein Schul­experiment eines ambitionierten Geschichtslehrers an einer Highschool, das den Nationalsozialismus erklären soll, entgleist. Der Lehrer erliegt der Freude an der Macht. Die Schülerinnen und Schüler verfallen der Lust an der Manipulation.

Ein erschreckend aktueller Stoff, wenn man auf aktuelle Rufe nach starker Führung und aufkommende Diktaturen in einigen Ländern blickt. Wolf-Dietrich Sprenger adaptiert den Roman, der bereits 1981 und 2008 auch hierzulande mit Jürgen Vogel verfilmt wurde, am 1. Juni fürs Ernst Deutsch Theater. Dabei arbeitet er nach „Der Widerspenstigen Zähmung“, „Nathan der Weise“ und „Kabale und Liebe“ erneut mit einem talentierten Darsteller zusammen: Jonas Minthe.

Der 27-Jährige spielt den Lehrer, der kaum älter ist als seine Schüler. „Dass einem jungen Menschen, der einen eigenen pädagogischen Ansatz ausprobiert, ein Experiment entgleitet, ist realistisch“, sagt Minthe. Die Inszenierung wartet mit einigen Aktualisierungen auf, die hier nicht verraten werden sollen. Minthe: „Die Ursprungsidee, wie und warum es zur Disziplinierung der Klasse kommt, ist ja an sich gut, aber das Experiment gerät schleichend außer Kontrolle. Wenn der Lehrer fragt ,Glaubt ihr an die Welle?‘, und 18 Menschen stehen auf, dann ist das verführerisch. Man bekommt einen Geschmack davon, dass Leute so gierig danach sind, warum eine Machtposition süchtig machen kann.“ Und so gibt es auch jene Szene, in der seine Ehefrau ihn fragt, ob er es genossen habe, und er antwortet: „Ja, habe ich.“

Das Ende der „Welle“ liefert keinen Grund zu Optimismus. Stück und Inszenierung beziehen deutlich Stellung. Die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Stoffen wie diesem ist es, die Minthe schätzt. Gleichzeitig ist er bewundernswert geerdet, eine rare Qualität in seinem Berufsstand. „Ich versuche mich selbst nicht so wichtig zu nehmen“, sagt er. Warum genau er zum Theater fand, kann der gebürtige Mainzer, dessen Onkel ebenfalls Schauspieler ist, nicht benennen. Es zog ihn hin.

Nach der Schauspielausbildung an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover ging er ins Ensemble des Theaters Bonn, um es nach nur zwei Jahren wieder zu verlassen, obwohl er große tolle Rollen spielte. Ein Schritt, der Mut erforderte, wie er zugibt, aber notwendig war. „Das feste Engagement hat mich künstlerisch zu sehr eingeengt und ermüdet“, sagt Minthe. Bereut hat er es keine Sekunde. An Angeboten für Bühne, aber auch Fernsehen mangelt es nicht.

Das Thalia Theater besetzte ihn in der erfolgreichen Zelt-Produktion „Die drei Musketiere“, und das Ernst Deutsch Theater gibt ihm die Chance, alle großen Hauptrollen zu spielen, von denen ein junger Theaterdarsteller träumt. Den Ferdinand in „Kabale und Liebe“, den jungen Tempelherrn in „Nathan der Weise“ und jetzt einen hochaktuellen Stoff. „Die Menschen kommen und schenken uns Zeit, das ist ein großes Privileg. Das verpflichtet aber auch“, sagt er. „Die Welle“ ist Schulstoff, einer, dessen man sich gerade in diesen Zeiten erinnern sollte.

„Die Welle“ Premiere Do 1.6., 19.30 Uhr, Vorstellungen bis 9.7., Ernst Deutsch Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1, Karten zu 22 bis 42 Euro unter T. 22 70 14 20