Nach Berlin fahren. Abhängen, chillen, nette Typen kennenlernen. Für Rucksacktouristen ist die Stadt wie ein Magnet. Für Clare (Teresa Palmer) wird sie zum Horror. Sie hat ihre Zelte in Brisbane abgebrochen. In Berlin will sich die Fotografin neu erfinden. Und lernt auf der Straße Andi (Max Riemelt) kennen. Blond, blauäugig, groß, entspricht er dem Klischee eines Deutschen. Lehrer ist er, aus gebildetem Haus. Dass er Englisch unterrichtet, macht die Kommunikation leicht. Bald landen sie in seiner Wohnung.

Dass da etwas nicht stimmt, könnte man schon ahnen. Etwa dass das Haus, in dem Andi lebt, sonst unbewohnt scheint. Als er am nächsten Tag zur Arbeit geht und die Tür verschlossen ist, kann man als Nachlässigkeit durchgehen lassen? Sie versöhnen sich abends. Tanzen im Club. Landen noch mal in der Wohnung. Wieder geht er morgens zur Arbeit. Wieder ist die Tür zu. Und wird es nun auch bleiben.

„Berlin Syndrom“ ist bereits der zweite Film, den die Australierin Cate Shortland in Deutschland dreht. Und zeigt all die Berliner Hipster-Hotspots als Vorspiel für ein einziges Grauen. Clare erkennt, dass sie eine Gefangene ist, Und nicht die Erste. Sie durchläuft alle Hölle – der Panik, der Verzweiflung. Und dem fügsamen Anlehnen an den Mann, der sie sonst bestraft. Das Stockholm-Syndrom, im Titel auf Berlin übertragen. Ein bisschen Natascha Kampusch schwingt mit.

Mit Blick von außen entgeht Shortland Berlin-Klischees. Dass Clare Fotografin ist und von Andi zum ständig abgelichteten Model degradiert, ist etwas platt. Am seltsamsten aber, dass Clare in Berlin die Architektur der DDR fotografieren wollte: weil sie beeindruckt war von dem Volk, das sich selbst befreit hat. Der Film mutiert so zur Allegorie auf die DDR. Dennoch: So gegruselt hat man sich in einem Berlin-Film selten.

„Berlin Syndrom“ AUS/D 2017 116 Min., ab 16 J., R: Cate Shortland, D: Teresa Palmer, Max Riemelt, Matthias Habich, täglich im Studio;
www.curzonartificialeye.com/berlin-syndrome