Die Zeiten, da für das Hamburger Kabarettfestival Jahr für Jahr ein neues Motto kreiert wurde, sind passé. Nicht aber die Gastspiele von Satirikern und komischen Konstanten aus nah und fern im St. Pauli Theater in einer schnelllebigen, immer unübersichtlicher scheinenden Welt. Das Stelldichein der Spötter fällt bei der 29. Ausgabe zwar etwas kleiner aus, das weibliche Element ist – für das Testosteron-dominierte Genre Kabarett keinesfalls die Regel– aber stark vertreten.

Zum Auftakt am 4. Mai (sowie 16.5.) feiern die Alten Mädchen auf St. Pauli Premiere. Schauspielerin Anna Bolk hat die Texte fürs Programm „Denn sie ticken besser“ geschrieben, Ines Martinez für die Arrangements gesorgt. Mit Jutta Habicht und Sabine Urig trotzt das Quartett von rund 210 Jahren Lebenserfahrung wie schon in der Revue „Heiße Zeiten“ ironisch dem Alltag mit Herausforderungen wie Bindegewebsschwäche, Par­ship und Horrorkindern, bei Bolk nur „ein Akne-Gnom“. Das Alte.Mädchen-Motto bei ihrem Pop-Kabarett: „Prosecco ist die Brause für die Menopause.“

Letztere war für Marlene Jaschke eigentlich nie Thema – die trutschige Chefsekretärin mit Topfhut, Hornbrille und beigefarbenem Kostüm ist zeit- und alterslos. Nach der Vorjahrespremiere im St. Pauli Theater sagt und singt sich Frau Jaschke vom 11. bis 13.5. noch mal „Nie wieder vielleicht“. Geschickt verwebt Jaschke-Erfinderin Jutta Wübbe, vor 25 Jahren nebenan im Schmidt und Tvoli groß geworden, in ihrer Figur Privates mit Beruflichem, angereichert mit Liedern und Situationskomik.

Beides bietet in geballter und charmanter Form „Jetzt erst recht“ der DamenLikörChor. Das etwa 30 Köpfe und 60 Beine starke, auch choreografisch immer wieder überraschende Ensemble um Gründerin Jutta Jahnke und Texterin Ruth Toma hat mit seinem gleichnamigen neuen Programm wieder mal am Muttertag (14.5.) im St. Pauli Theater Premiere. Dietmar Loeffler versucht als „Damendompteur“ die Frauen zu bändigen.

Und die Solomänner? Kommen davor und danach zu Wort, Angefangen vom Beziehungsexperten Horst Schroth mit seinem „Update für Fortgeschrittene: Wenn Frauen immer weiterfragen“ am 6. und 7.5. Der Hamburger Günter Märtens, als Europas größter und komischster Kontrabassist Mitglied der Rhythmus Boys, liest am 10.5. aus seinem autobiografischen Roman „Die Graupensuppe“, Schauspieler Christoph Pütthoff erinnert am 15.5. mit „Ausgewählte Untertreibungen“ lesend an seinem hessischen Landsmann, den 2002 gestorbenen unvergessenen Bühnenzyniker Matthias Beltz. Hamburgs Fernsehfranzose Alfons spielt am 19.5. erstmals auf St. Pauli sein bisher stärkstes Solo „Das Geheimnis meiner Schönheit“, der smarte Kölner Kleinkünstler Martin Zingsheim tags darauf mit Band sein Programm „Heute ist morgen schon retro“.

Und weil bei einem Kabarettfestival das Politische nicht fehlen darf und sollte, widmen sich zwei der hierzulande Besten der Satire-Zunft aktuell Trump, Putin, Erdogan, Schulz und Konsorten sowie der Doppelmoral: Hagen Rether, der etwas andere Klavierkabarettist, macht es am 8. und 9.5. mit „Liebe“ nicht unter drei Stunden, Mathias Richling vom 1. bis 5. Juni mit „Richling spielt Richling“ in jeweils 100 Minuten. Kabarett mit Parodie. Mit dem Weiterdenken aber sollte danach auch ohne Festivalmotto nicht Schluss sein.

29. Hamburger Kabarettfestival 4.5. bis 5.6., Do/Fr jeweils 20 Uhr, St. Pauli Theater, Spielbudenplatz 29, Karten zu 22,- bis 36,- Euro in der Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32, T. 30 30 98 98