Demokratie heißt: Man muss vieles ertragen, auch wenn es einem nicht gefällt. Da gibt es einige neue Beispiele

Ich gestehe, ich bin eher retro. Aber: Ist es Zufall, dass „altmodisch“ und „demokratisch“ ziemlich viele Buchstaben gemeinsam haben? Okay, erwischt: Buchstabenmystiker bin ich auch. Nach meinem altmodischen Empfinden hat Demokratie viel mit In-Ruhe-Lassen zu tun. Solange ich nicht gegen Gesetze oder Anstandsregeln verstoße, kann ich mir ein Kotelett ans Knie nageln. Oder meinen Goldfisch küssen. Oder mit Alexander Gauland whatsappen.

Wenn der deutsche Außenminister nun in Israel Friedensgruppen trifft, die aus dem Militär gewachsen sind, mögen Hardliner in Tel Aviv ächzen. Aber: Sigmar Gabriel tut weder Verbotenes noch Unanständiges. Wenn Benjamin Netanjahu findet, er könne danach nicht mehr mit dem Deutschen sprechen, hat ausnahmsweise nicht Gabriel das Problem. Und, ja, zur Demokratie gehört auch, den israelischen Premier kritisieren zu dürfen für sein gelegentlich singuläres Verständnis von Pluralität.

Womit wir bei der AfD wären. Politiker, Journalisten und handgreifliche Straßenkämpfer waren sich einig, dass es die AfD nicht geben dürfe und deren Parteitag auch nicht. Dabei wurde dort gemobbt und gezetert wie in jeder etablierten Partei auch. „Ich finde degoutant, was die AfD-Leute äußern“, hätte Preußen-Freund Voltaire vielleicht gesagt, „aber ich würde mein Leben dafür geben, dass sie es dürfen.“

Dynastien wiederum sind in der Demokratie nicht vorgesehen. Mit welchem Wählermandat verdiente Ivanka Trump einen Quasi-Staatsempfang inklusive kollektiver medialer Besoffenheit? Es soll ja mehrere Frauen geben, die studieren, Kinder kriegen und Schmuck gestalten. Riecht es nicht immer ein wenig fischig, wenn Familienmitglieder mit Beraterverträgen (Verräterbetragen?) ausgestattet werden? Das ging weder bei der CSU noch beim Franzosen Fillon.

Wenn wir uns den Mund verbieten oder gleich die ganze Existenz, nur noch jubeln oder schweigen, wird nicht unsere Demokratie stärker, sondern es erstarken ihre Feinde. So, und jetzt versuchen wir die Sozialwahl zu verstehen. Ja, Demokratie ist anstrengend.