Berlin.

Den Polizeibeamten bot sich ein grausiger Anblick: Auf einer Grünfläche in Weißenfels (Sachsen-Anhalt) fanden sie vor wenigen Tagen die Leiche eines Neugeborenen. „Es handelt sich um einen Säugling, der nach der Geburt lebensfähig war“, stellt der Oberstaatsanwalt fest. Die Polizei sucht nun nach der Mutter, die offenbar ihr eigenes Kind getötet hat. Warum, fragen sich nun viele in Weißenfels, hat die Frau den Säugling nicht zu einer Babyklappe gebracht?

Knapp 100 dieser Einrichtungen gibt es in Deutschland, meist in der Nähe von Krankenhäusern: Hinter der Klappe befindet sich ein Wärmebettchen. Wird die kleine Tür geöffnet, löst sie einen Alarm in der Klinik aus, nach wenigen Minuten kommt eine Mitarbeiterin und versorgt das Kind. Babyklappen sollen überforderte Mütter von schlimmen Taten abhalten. Doch ihr Nutzen ist umstritten. Vor allem, weil den Frauen die Beratung fehlt. Vom Gesetzgeber werden die Klappen lediglich geduldet. Eine rechtliche Grundlage gibt es nicht. Nach dem Personenstandsgesetz ist jeder verpflichtet, eine Geburt dem Standesamt mitzuteilen.

Seit Mai 2014 gibt es in Deutschland eine Alternative für verzweifelte werdende Mütter: die vertrauliche Geburt, bei der Frauen unter ärztlicher Begleitung in einem Krankenhaus entbinden. Das Kind wird dann zur Adoption freigegeben. Die Frauen werden dabei von einer Beraterin, die an die Schweigepflicht gebunden ist, beraten – auch nach der Geburt. Dadurch, so die Hoffnung, sollten Babyklappen überflüssig werden, die noch ein weiteres Defizit aufweisen: Ein Säugling, der in einer Babyklappe abgelegt wird, hat später fast keine Chance, seine biologische Mutter wiederzufinden. Bei der vertraulichen Geburt hingegen ist das anders. Zwar bleibt die Mutter die ersten 16 Jahre nach der Entbindung anonym. Doch ihre Daten werden gespeichert. Falls das Kind danach erfahren will, wer seine Mutter ist, wird beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Köln ein verschlossener Umschlag geöffnet. Darin steht der Name der Frau. Seit Inkrafttreten des Gesetzes gab es in Deutschland 308 vertrauliche Geburten, so das Bundesfamilienministerium.

Der Deutsche Ethikrat sieht Babyklappen kritisch, „weil sie das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft und auf Beziehung zu seinen Eltern verletzen“. Die Erfindung geht auf eine private Initiative zurück: 1999 wurde auf dem Sortierband einer Hamburger Recycling-Anlage ein totes Neugeborenes entdeckt. Der Fund warf ein Schlaglicht auf ungewollt Schwangere, die nicht wissen, wohin mit ihrem Kind und es deshalb nach der Geburt einfach aussetzen oder töten. Ein Jahr später eröffnete in Hamburg die erste deutsche Babyklappe.

Kinderhilfswerk stellt die Wirkung der Klappen infrage

Ob Babyklappen tatsächlich Kinderleben retten, ist nicht nachweisbar. Offizielle Zahlen zur Tötung Neugeborener gibt es nicht, da diese sogenannten „Neonatizide“ kein eigener Straftatbestand sind. Das Kinderhilfswerk Terre des Hommes erstellt anhand von Medienauswertungen eigene Statistiken. Ergebnis: Seit Einführung der Klappen gebe es keinen Rückgang getöteter Neugeborener. „Ich glaube, dass es keine Schnittmenge gibt zwischen den Müttern, die ihr Baby in der Babyklappe abgeben, und den Müttern, die ein Tötungsdelikt verüben“, sagt Axel von der Wense, Leitender Arzt im Kinderkrankenhaus Hamburg-Altona.

Trotzdem halten Krankenhäuser wie das Erfurter Helios-Klinikum an dem Konzept fest. Es komme immer wieder vor, dass Frauen ihr Kind heimlich zur Welt bringen und schnell abgeben wollen. Wenn sie es dann in die Klappe legten, „ist das doch immer noch besser, als wenn sie das Kind irgendwo sich selbst überlassen“, sagt Chefarzt Gert Naumann.