Hajo Schumacher

Neben Internet und Spinat-Smoothie gehört der Rollkoffer zu jenen Erfindungen, die ihre zerstörerische Kraft verzögert entfalten. Ein westfälisches Sprichwort besagt: „Nimm nie mehr mit, als du allein tragen kannst.“ Wie wahr. Wer auf der Flucht ist, in Eile oder beides, weiß leichtes Gepäck zu schätzen. Der Rollkoffer wiederum schafft nur eine Illusion von Tragbarkeit, was die Bandscheibe an der ersten ausgefallenen Fahrtreppe zu spüren bekommt. Rollen ging gerade noch so. Warum reist alle Welt mit Trolley?

Klar, mehr Platz. Wieder so eine Täuschung. Wo „mehr Platz“ drauf- steht, ist wenig später noch mehr Sperrmüll drin, ob in Kofferräumen und Kellerverschlägen, neuen Häusern, Handtaschen und natürlich Rollkoffern. Brauchte es wirklich Smoking, Angelrute, Langhantel, den CD-Sprachkurs Business-Mandarin und Heideggers Gesamtausgabe für den Wochenendtrip? Man könne nie wissen, floskelt der Vieltransporter. Doch, entgegnet der Knapppacker.

Unser Leben ist mit zu viel Platz verflucht, den schlaue Container-Vermieter noch erweitern. Viel Auswahl, erklären Trivial-Liberale, bedeute mehr Freiheit. Das Gegenteil stimmt: Nichts ist unfreier, als sich dauernd entscheiden zu müssen.

Früher, als der Mensch Maß war, wog das Feriengepäck exakt so viel, wie Vati tragen konnte. Jeder Urlaub bot genau jene 20 Fotomotive, die auf dem Film für die Ritsch-Ratsch Platz fanden. Heute drängeln sich 4000 Motive auf dem Chip, wovon 99,5 Prozent optischer Sperrmüll sind. Wäre nicht so viel ungenutzter Krempel aus dem Rollkoffer zu packen, könnte man die vielen Motive ordnen. Prio eins: unverzichtbar, Prio zwei: na ja. Prio drei: was, wo, warum? Vorschlag für den Frühjahrsputz: Prio zwei und drei ignorieren und nur noch Einser-Kandidaten ins Leben lassen. Wirklich frei ist, wer zu wählen versteht. Und mit leichtem Gepäck den Anschluss erwischt.