Rom.

Man sei „angesichts der zahlreichen Verstöße zuversichtlich“ über den Ausgang des Prozesses, sagte einer der Anwälte von Francesco Schettino in die Fernsehkameras vor dem Gerichtssaal. Für die Italiener muss sich das anhören wie eine Provokation. Denn der Ex-Kapitän, der das Unglück des Kreuzfahrtschiffs „Costa Concordia“ vor der toskanischen Küste mit 32 Toten zu verantworten hat, ist nach wie vor auf freiem Fuß. Fünf Jahre nach der Tragödie. Zwar war Schettino schon 2015 zu 16 Jahren und einem Monat Haft verurteilt worden. Doch gegen das Urteil hatte „Kapitän Feigling“, wie die italienische Presse ihn taufte, Berufung eingelegt. Am Donnerstag startete vor dem höchsten Gericht Italiens der neue Prozess. Das Kassationsgericht in Rom ist die letzte Instanz in dem Verfahren. Sollten die Richter tatsächlich Rechtsfehler in dem Fall feststellen, könnte neu verhandelt werden.

Schettino selbst war nicht im Gerichtssaal, als der Kassationsrichter das Protokoll aus dem vorangegangenen Prozess verlas, sondern war in seinem Heimatort Meta am Golf von Neapel geblieben.

Schettino will ins „Rettungsboot gefallen“ sein

Es wurde sehr still in der Aula Magna, als der Richter zum Unglücksverlauf kam. Schettino hatte am Abend der Tragödie in der Kapitänskajüte mit mehreren Gästen, darunter einer angeblichen Geliebten, diniert. Gut gelaunt nahm er Kurs auf die Insel Giglio, ordnete, noch bevor er selbst das Kommando auf der Brücke übernahm, einen Kurswechsel an. Es gab Kommunikationsfehler und Schlamperei. Der Richter schilderte, wie Schettino in einer chaotischen Aktion das Schiff mit 4229 Passagieren und Besatzungsmitgliedern bedrohlich nah an die Insel Giglio steuerte, um vor den Gästen mit einem „Inchino“, einer Verbeugung, zu prahlen und einen alten Freund am Ufer der Insel zu grüßen. Und wie er es versäumte, gleich nach dem Unglück das Schiff zu evakuieren. Dabei wäre es leicht gewesen, die Menschen rechtzeitig zu retten, die Insel war ja zum Greifen nahe. Er habe, so der Richter, von Opfern gewusst, die von Bord gestürzt und im Sog des Schiffes ertrunken waren. Dennoch habe er das sinkende Schiff als einer der Ersten verlassen. Er sei „ins Rettungsboot gefallen“, lautete Schettinos Begründung damals.

Das Schiff rammte einen Felsen, kenterte. 32 Menschen starben, darunter zwölf deutsche Passagiere. Die Anklage lautete später auf fahrlässige Tötung, fahrlässige Havarie und vielfache Körperverletzung sowie das Verlassen des Kommandos. „Für die Insel Giglio ist die Concordia-Tragödie eine Wunde, die nie heilen wird“, sagte Bürgermeister Sergio Ortelli vor dem neuen Prozess.

Während das Unglück für Italien ein Trauma bedeutet, feierte Schettino seltsam ungerührt als VIP Partys auf Capri oder trat als Gastdozent in einer römischen Universität auf. Noch im März hielt der heute 56-Jährige in einem YouTube-Video ein bizarres Plädoyer für sich selbst.

Nicht nur seine Anwälte, auch die Staatsanwaltschaft in Florenz hatte Berufung beantragt: Sie fordert allerdings eine sehr viel höhere Strafe. Im schlimmsten Fall könnte Schettino jedoch völlig frei gesprochen werden. Sollten die Richter der Berufung stattgeben, muss der Prozess neu aufgerollt werden. Das kann Jahre dauern, aber im Juli 2019 wäre das Verbrechen bereits verjährt.

Es wäre ein „Skandal, wenn die Verurteilung Schettinos nicht bestätigt wird“, sagt ein Anwalt der Zivilkläger. Für italienische Verhältnisse habe man schließlich den ersten Prozess in „Rekordzeit“ verhandelt. Der Urteilsspruch wird für Mitte Mai erwartet.