Washington.

Die Bilder gingen um die Welt: Sicherheitskräfte zwingen einen Mann von seinem Flugzeugsitz, schleifen ihn mit Gewalt durch den Gang. Er blutet. Der Grund? Das Flugzeug auf dem Weg von Chicago nach Louisville war überbucht, der Mann, der 69-jährige David Dao aus Kentucky, sollte seinen Platz aufgeben. Er wollte nicht. In sozialen Medien empörten sich weltweit Menschen über den Vorfall an Bord von Flug 3411 der US-Airline United.

Am Dienstagabend übernahm die Fluggesellschaft dann doch noch die „volle Verantwortung für den Vorfall“, wie Vorstandschef Oscar Munoz in einem Statement erklärte. Er versprach, so etwas werde nicht wieder passieren. „Es ist nie zu spät, das Richtige zu tun.“ Seine erste Reaktion auf Vorwürfe in sozialen Medien war noch sehr halbherzig ausgefallen. Munoz hatte sich nur lapidar für die „Umquartierung“ des Fluggastes entschuldigt, die Art und Weise des Rausschmisses aber als „etablierte Praktik“ bezeichnet.

Nun schlug er andere Töne an. Er sprach von einem „wirklich schrecklichen Ereignis“, das viele Gefühle wie Empörung, Wut und Enttäuschung ausgelöst habe. Kein Passagier solle derart schlecht behandelt werden. Munoz kündigte eine Überprüfung des Falls an. Dazu gehöre, wie United künftig mit Überbuchungen von Flugzeugen umgehe. Die Ergebnisse sollten bis Ende April vorgelegt werden.

Viele US-Fluggesellschaften überbuchen ihre Maschinen standardmäßig. Weil sie aus Erfahrung davon ausgehen, dass nicht alle Passagiere, die ein Ticket gekauft haben, am Ende auch erscheinen. Stellt sich beim Einchecken heraus, dass doch alle Passagiere mitreisen wollen, geht das Feilschen los. Gegen Gutscheine, manchmal mit Hotelübernachtung, und Einmalzahlungen werden Passagiere gebeten, auf ihr Ticket zu verzichten und umzubuchen. Rund 475.000 Mal geschah das in den USA allein im Jahr 2016. In über 90 Prozent der Fälle, sagt das Verkehrsministerium in Washington, sei das Problem auf Basis von Freiwilligkeit gelöst worden. Dem Passagier David Dao seien 1000 Dollar angeboten worden, erklärte die Fluglinie. Er sollte für eine weitere Flugzeug-Crew der Airline weichen, die am Zielort Louisville eingesetzt werden sollte.

Aber der kleine Mann mit Brille, der angeblich durch eine zufällige Computer-Stichprobe ausgewählt wurde, wollte nicht. Er sei Arzt und müsse in Louisville Patienten betreuen, erklärte er. Überredungsversuche scheiterten. United rief nach Sicherheitskräften. Die fackelten nicht lange. Dass der Arzt, dessen familiäre Wurzeln in Asien liegen, blutete, schrie und sich wehrte, schien sie nicht zu stören. Das belegen Handy-Videos anderer Passagiere: „Oh mein Gott, schaut, was ihr ihm antut“, sagt eine Mitreisende da.

„PR-Desaster schlimmer als bei einem echten Absturz“

Drei Männer rissen den Mediziner aus seinem Sitz, knallten ihn mit dem Kopf vor eine Sitzlehne und zogen ihn über den Boden aus der Maschine. Er kam kurze Zeit später sichtlich verwirrt und aus dem Mund blutend noch einmal zurück, bevor er laut „Chicago Tribune“ zusammenbrach und abtransportiert worden sein soll.

Ein Security-Guard wurde vom Dienst suspendiert. Sein Verhalten sei nicht professionell gewesen, teilte die Flughafenbehörde in Chicago mit. Gleiches warfen Internet-Nutzer – vor allem in China, wo man rassistische Motive vermutet – auch United-Chef Oscar Munoz vor, bevor der sich nun entschuldigte. George Hobica, Chef des Reise-Dienstes „Airfarewatchdog“, bilanziert drastisch: „Dieses PR-Desaster ist schlimmer, als wenn United einen echten Absturz hätte.“