Es begann mit Muscheln, Knochen und Steinen

Lange bevor der Mensch eine Sprache entwickelte, kommunizierte er mit Schmuck. Muscheln, Knochen, Steine – seit etwa 500.000 Jahren schmücken sich Menschen. Das jedenfalls legt eine Muschelschale nahe, die einst auf der indonesischen Insel Java entdeckt wurde und gut einhundert Jahre in den Archiven des Naturkundemuseums im niederländischen Leiden lagerte. Die Forscher, die vor drei Jahren darüber in dem britischen Wissenschaftsjournal „Nature“ schrieben, entdeckten auf ihr ein geometrisches Muster. Das Alter der Muschel datierten sie auf maximal 540.000 Jahre. Bis dahin galt, dass Menschen sich seit 100.000 Jahren mit Muscheln schmückten.

Britische Wissenschaftler hatten Anfang der 2000er-Jahre drei bearbeitete Muscheln aus Israel und Algerien wiederentdeckt, die zu dem Zeitpunkt mehr als 60 Jahre im Naturgeschichtlichen Museum in London und im Musée de l´Homme in Paris schlummerten. Über ihre Erkenntnisse berichteten die Experten 2006 im US-Wissenschaftsmagazin „Science“.

Was den Frühmenschen Homo erectus bewegt hat, sich zu schmücken, darüber kann nur spekuliert werden. Trugen sie den Schmuck, um sich vor Geistern zu schützen, um höhere Wesen zu ehren, ihre Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu zeigen oder ihren Status in einer Gruppe zu unterstreichen? Oder trugen sie den Schmuck einfach nur, weil sie die Muscheln schön fanden? Und gab es damals schon Trends?

„Kurzfristige Trends sollten nicht die Auswahl bestimmen“

Mit Schmuck sind vielfältige Botschaften verknüpft und Gold ist seit alters her ein begehrter Rohstoff. „Schmuck bietet die Chance, die eigene Persönlichkeit zu unterstreichen. Um sie zu ergreifen, sollten kurzfristige Trends daher nicht die Auswahl bestimmen“, weiß Judith Lotter, Goldschmiedin in Hamburg.

Manche Menschen trügen auch heute noch Schmuck, um die eigene Stärke oder den persönlichen Erfolg zu symbolisieren. Früher zählten beispielsweise die zu Schmuck verarbeitete Jagdtrophäen, dazu, heute sind es wertvolle Uhren oder Ringe. Schmuck kann die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder Familie demonstrieren, wenn goldene Abzeichen von Verbänden oder Verbindungen die Revers zieren, Wappen in Siegelringen eingelassen sind oder Krawattennadeln schmücken. Doch diese traditionellen Funktionen von Schmuck sind heute nicht mehr so bedeutsam oder betreffen nur noch bestimmte gesellschaftliche Kreise. Viel häufiger steht Schmuck heute dagegen für die Wertschätzung einer Beziehung oder der eigenen Person und drückt das eigene Schönheitsempfinden aus.

Der Amazonas als Ringmotiv führt Träume vor Augen

„Schmuck kann zudem auch Geschichten erzählen“, sagt die Goldschmiedekünstlerin. Individuell angefertigte Trauringe verraten viel über das Paar. Eher ungewöhnlich ist, wenn Schmuck die Funktion der bekannten „Post it“- oder Haftzettel übernimmt.

So kam ein Geschäftsmann zur Goldschmiedin, der seit vielen Jahren eine Weltreise antreten wollte, aber trotz aller Pläne und Vorsätze von seinem Beruf nicht los kam. Er ließ sich in einer klassischen goldenen Siegelringfassung einen Stein einarbeiten, der von oben betrachtet wie der Amazonas aussieht. „Damit er seinen Traum nicht aus den Augen verliert und wirklich aufbricht“, schmunzelt Judith Lotter, die viele solcher Geschichten kennt.

Seit 30 Jahren übt sie ihren Beruf aus. Und dann fällt ihr doch ein Trend ein, den sie sehr begrüßt: „Immer mehr junge Menschen fragen mich danach, woher das Gold kommt, das ich verarbeite. Sie wollen nicht, dass Blut, Ausbeutung oder Umweltverschmutzung an ihren Schmuckstücken klebt.“

Damit folgen sie den Menschen, die einst Naturmaterialien wie Muschelschalen zu Schmuck verarbeiteten und die Natur dabei jedoch pfleglich behandelten.