Mit Materialkenntnis und Fingerspitzengefühl gestalten Restauratoren alten Schmuck neu

Ringe, die 300 Jahre alt sind, Ohrringe, die schon 80 Jahre getragen werden, Schalen, die seit 200 Jahren im Gebrauch sind – alte Stücke liegen Melanie Karner am Herzen. „Ich respektiere die Arbeit der alten Kollegen“, sagt die Goldschmiedemeisterin und Restauratorin. „Auch vor 100 Jahren haben Goldschmiede Kunstwerke geschaffen, obwohl sie früher nicht die technischen Möglichkeiten und Materialien hatten, die uns heute zur Verfügung stehen.“ Zudem sei es umweltfreundlich, wenn alte Stücke restauriert und weiter verwendet werden.

Den Ring von 1787, ein Familienerbstück, hat sie kunstvoll und fachgerecht aufgearbeitet. Getreu des Grundsatzes der Restauration, soviel Originalsubstanz wie möglich zu erhalten und sowenig zu verändern wie irgend geht. Nun wird das Erbstück bestimmt noch weitere 50 bis 100 Jahre getragen werden können.

Gerade restauriert sie einen Ring, der bestimmt schon 120 Jahre alt ist. „Das Alter des Schmucks sehe ich daran, wie er gestaltet worden ist. Jede Zeit hat ihre typischen Merkmale, auch das lernt man in der Ausbildung zur Restauratorin“, sagt Melanie Karner. 1200 Stunden hat die Goldschmiedemeisterin in diese berufsbegleitende Ausbildung gesteckt und alle Prüfungen abgelegt. Der zentrale Stein des alten Schmuckstücks ist entnommen, die Brillanten, die ihn umgaben, sind aus den kleinen Fassungen entfernt. Jetzt werden die kleinen Fassungen aufgearbeitet, damit sie die Brillanten wieder festhalten, und das Gold des Ringes verstärkt. Dieser ist im Laufe der Jahre ganz schmal geworden, weil sich Goldringe beim Tragen immer etwas abnutzen.

Doch jede Zeit hat nicht nur ein typisches Design, sie hat vor allem auch typische Materialien und Verarbeitungsweisen. „Vor 120 Jahren gab es zwar schon Weißgold, aber oft wurde dennoch Silber verwendet. Auf den ersten Blick, sehen sich diese Materialien sehr ähnlich und eine Verwechslung kann fatal enden. Wenn ich diesen Ring in dem Glauben, ich hätte Gold vor mir, erhitze und löte, dann ist der Ring unwiederbringlich zerstört.“ Auch alte Stücke, die schon einmal bearbeitet wurden, haben ihre Tücken. So wurde früher häufig mit Zinnlot repariert. Wer die alten Lötstellen nach heute üblichen Standards erhitzt, wird auch das Kunstwerk zerstört. Und wer nicht erkennt, dass das Stück nicht aus reinem Gold besteht, sondern eine Feuervergoldung auf der Oberfläche hat, kann beim Löten giftige Quecksilberdämpfe freisetzen und seine Gesundheit ruinieren.

Bis weit in das 19. Jahrhundert war die Feuervergoldung, die schon in der Antike angewandt wurde, die Metallvergoldungstechnik. Für diese sehr haltbare Vergoldung wurde Goldamalgam verwendet – ein Teil Gold auf sechs Teile Quecksilber.

„Es ist eine Herausforderung, aus einem alten Stück etwas zu formen, was zum Typ passt und modern wirkt“, sagt die Expertin, „doch die Verbindung von alt und neu finde ich reizvoll und die Gespräche mit den Kundinnen und Kunden darüber sind spannend.“ So landete ein barock wirkender, einzelner Ohrring nach seiner Restauration in einer modernen Fassung. Entstanden ist eine Kette mit einem Anhänger, der zu sagen scheint: Der Tradition verpflichtet, der Zukunft aufgeschlossen.

Wenn zu einem alten Schmuckstück gar keine Beziehung besteht, dann müsse es eingeschmolzen werden, damit etwas Neues entstehen könne. „Der Vorteil ist, dass dafür kein neues Gold verwendet werden muss“, sagt Melanie Karner. „Doch alte Handwerkskunst umzuschmelzen, finde ich immer wieder traurig.“ (ang)