Goethe? War gut! Doch beim Prinzip Höhlenwand ersetzen Emojis das Geschriebene

Der Steinzeitmensch war ein schlaues Kerlchen. Er ernährte sich, ganz paläo, weitgehend kohlehydratfrei, womit er karge Wochen mit Pulverdrinks verhinderte. Vor allem aber kommunizierte er hocheffektiv, was ihm Shitstorms oder zumindest böse Leserbriefe ersparte. Mit Kohle rasch ein Strichmännchen an die Höhlenwand gekritzelt, das einen Stock über dem Kopf schwingt. Waffe? Werkzeug? Selfie-Stick?

Bis heute rätseln Kunstsinnige in aller Welt. So wenig Kohle, so viel Wirkung. Facebook funktioniert umgekehrt. Doch die Evolution hat ein Herz, sie funktioniert manchmal rückwärts.

Nach ein paar Jahrhunderten lästigen Lesens und Schreibens und aller seiner Reformen sind wir wieder an der Höhlenwand angekommen. In Zeiten, da sich der Mensch auch mit Kopfhörern verständigen muss, ist das Prinzip Höhlenwand zurück. Geschriebenes gilt im Digitalozän als Zeitverschwendung, weshalb die einstmals texthaltige SMS heute oft mit Emojis auskommt, gezeichneten Gefühlen. Statt wortreicher Ostergedichte postet der moderne Mensch auf Instagram ein Maiglöckchen, den Vom-Eise-befreit-Schmus darf sich der goethefeste Empfänger denken. Schwieriger wird es bei der persönlichen Kommunikation, bei der ein Trend zur Scharade zu erkennen ist. Immer mehr Menschen posten beidhändig mit Mittel- und Zeigefinger Gänsefüßchen in die Luft, wenn sie „Dingsbums“ sagen. Die Botschaft: Weil ich vorwiegend in Bildern denke und deswegen den korrekten Begriff nicht parat habe, kennzeichne ich mit den Fingern eine Leerstelle, in die der Empfänger bitte das richtige Wort einzusetzen hat.

Neulich malte ich den Kindern Brot, Eier und Milch auf den Einkaufszettel, dazu einen Smiley, zur Motivation. Abends war nichts eingekauft, dafür stand ein Fragezeichen unter meinen Gemälden. Merke: Wer nicht schreiben mag, sollte wenigstens malen können.