Berlin.

Die Stoßzähne biegen sich in einer Spirale nach oben, langes zotteliges Fell wärmt die Tiere mit dem charakteristischen Topf-Haarschnitt auf dem massigen Schädel. Ein kräftiger Rüssel tastet nach Kräutern, die zwischen kleineren Schneefeldern aus der Graslandschaft lugen. Das Wollhaar-Mammut Mammuthus primigenius gilt heute noch als Erfolgsmodell der Eiszeit, auch wenn die Art bereits seit 4000 Jahren von der Erde verschwunden ist.

Genau das aber möchte George Church von der Harvard-Universität im US-amerikanischen Cambridge ändern: Seit 2015 bauen er und seine Mitarbeiter Stücke aus dem erhaltenen Erbgut von Wollhaar-Mammuts in das Erbgut seines nächsten lebenden Verwandten ein – dem Asiatischen Elefanten. George Church möchte einen Elefanten züchten, der Eigenschaften seines ausgestorbenen Verwandten hat. Als Fernziel könnte in vielen Jahren vielleicht sogar der Nachbau eines richtigen Wollhaar-Mammuts stehen. Nur dürfte der 1954 geborene Forscher diesen Moment kaum mehr selbst erleben.

Millionen Unterschiede im Erbgut aufgespürt

Sein Vorhaben klingt fantastisch. Und passt hervorragend zu seinem Ruf in Kollegenkreisen: „George Church gilt als einer der besten Molekularbiologen, der gern die Grenzen des Möglichen testet – und damit viel erreicht hat“, fasst Michael Hofreiter zusammen, der an der Universität Potsdam das Erbgut längst verstorbener Organismen untersucht. Ohne das Ziel, sie von den Toten auferstehen zu lassen.

Dabei stehen die Chancen für ein solches Vorhaben nicht schlecht. Einst lebten die Wollhaar-Mammuts auf den Kältesteppen der Eiszeit. Einige der toten Körper überstanden im Dauerfrost Sibiriens die Jahrtausende. In der Kälte bleiben neben Knochen auch Weichteile und Erbgut recht gut erhalten.

Perfekt ist der Zustand nach dieser langen Zeit jedoch keineswegs. Eizellen von Mammuts dürften die Forscher wohl kaum jemals wieder zum Leben erwecken. Auch das Erbgut ist längst nicht mehr intakt. Damit scheitern auch Überlegungen, das Erbgut komplett in die Eizelle eines Asiatischen Elefanten zu übertragen und diese mit den Mitteln der modernen Fortpflanzungsmedizin in einer Leih-Elefanten-Mutter zu einem Mammut heranreifen zu lassen.

George Church geht daher einen sehr mühseligen Weg: Er vergleicht das inzwischen gut bekannte Mammut-Erbgut mit dem eines Asiatischen Elefanten. Und findet dort einige Millionen Unterschiede, die sich in den vielleicht sechs Millionen Jahren angehäuft haben, in denen die Mammuts eigene Wege gegangen sind. „Etliche dieser Änderungen haben sehr wahrscheinlich keine Auswirkungen auf den Organismus der Tiere“, ist Michael Hofreiter überzeugt.

George Church hat sich daher erst einmal Veränderungen im Erbgut ausgesucht, die den Mammuts wohl nützliche Eigenschaften gebracht haben. So waren ihre Ohren sehr viel kleiner als bei Asiatischen oder gar den Steppenelefanten Afrikas. Je kleiner diese ausfallen, umso weniger Wärme verliert der Körper – ein wirksames Mittel gegen das Erfrieren auf den Kältesteppen. Gegen die eisigen Winde half Isolierung durch einen Dreifachpelz: Als „Unterkleidung“ wärmte eine Wolle aus zehn bis 20 Zentimeter langen Haaren die Mammuts der Eiszeit. Darüber lag eine flauschige Schicht aus einem halben Meter langen Haaren und obenauf kam ein Deckmantel aus neunzig Zentimeter langen, derben Zotteln. Unter der Haut hatten die Mammuts anders als heutige Elefanten eine dicke Fettschicht, die Körperwärme drin und Kälte draußen hielt.

Veränderungen im Mammut-Erbgut, die hinter den Anpassungen an die Kälte stecken könnten, hat George Church identifiziert. Die entsprechenden Abschnitte des Elefanten-Erbguts hat der Forscher mit der 2012 entwickelten CRISPR-Methode durch Mammut-Erbgut ersetzt. Seit 2015 konnten die Molekularbiologen so 45 Abschnitte im Elefanten-Genom durch Mammut-Sequenzen ersetzen.

Ein beachtlicher Erfolg, der sich beim genauen Hinschauen relativiert. So wird eine Eigenschaft des Organismus, etwa kleine Ohren, sehr häufig durch eine Reihe von Erbguteigenschaften beeinflusst. Oft genug kennen die Forscher nicht einmal alle dafür relevanten Abschnitte im Erbgut und stehen so vor einem gigantischen Puzzle. „Insgesamt müssten vielleicht ein paar Hunderttausend Erbgutabschnitte des Asiatischen Elefanten durch Mammut-Sequenzen ersetzt werden, um sehr mammutartiges Erbgut zu erhalten“, schätzt Michael Hofreiter. Selbst wenn George Church also sein bisheriges Tempo von 45 ausgetauschten Abschnitten in zwei Jahren verzehnfacht, dürften bis dahin noch einige Jahrhunderte ins Land gehen. Der US-Forscher beschränkt sich daher darauf, in den kommenden zwei Jahren einen Elefanten-Embryo mit nur wenigen Mammut-Eigenschaften zu erzeugen.

Bis jedoch aus einer befruchteten Eizelle ein neugeborenes Mammut- oder Elefanten-Baby geworden ist, vergehen 22 Monate im Mutterleib.

Nur gibt es kein Tier, das die Mutterrolle übernehmen kann, weil die letzten Mammuts vor 4000 Jahren starben. Warum, ist noch nicht vollständig erforscht. Church müsste also auf eine Asiatische Elefantenkuh als Leihmutter ausweichen. Diese Art aber entwickelt sich seit sechs Millionen Jahren in eine andere Richtung als die Mammuts – beide sind genetisch ähnlich weit voneinander entfernt wie Menschen und Schimpansen.

Trotzdem stehen die Chancen für eine gesunde Entwicklung eines Mammut-Embryos in einer Asiatischen Elefanten-Leihmutter nicht so schlecht. Die Rüsseltiere scheinen in dieser Hinsicht überraschend verträglich zu sein. So kam 1978 im Zoo der englischen Stadt Chester das Bullenkalb Motty zur Welt, das bei einer Liaison zwischen der Asiatischen Elefantenkuh Sheba und dem Afrikanischen Elefantenbullen Jumbolino gezeugt worden war. Die Wege dieser Arten trennten sich vor etwa sieben Millionen Jahren.

Weil die Asiatischen Elefanten auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten stehen, will George Church ohnehin auf eine lebendige Leihmutter verzichten. Stattdessen möchte er auf eine künstliche Gebärmutter zurückgreifen – die er erst noch entwickeln muss.

Einmal mehr will der Forscher die Grenzen des Möglichen testen. Sollten seine Nachfolger und deren Nachfolger Erfolg haben, könnte in ferner Zukunft tatsächlich ein Elefant mit mehr oder minder vielen Mammut-Eigenschaften durch den Zoo tappen. Bis zu einer stabilen Herde dürften dann noch einmal Jahrzehnte vergehen. Danach könnte eine kleine Herde in mehreren Stufen über einige Jahre an ein Leben in Freiheit gewöhnt werden. „Das klappt bei anderen Arten schon heute“, sagt Michael Hofreiter. Es scheint also eine Chance zu geben, das Wollhaar-Mammut zurückzuholen. Zumindest, wenn George Church einen Sponsor für die nächsten Jahrhunderte auftreibt.